Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
dritter Präsident, anfangen.
Jefferson war Tabakfarmer und einer der reichsten Männer der damaligen britischen Kolonie Virginia. Es war aber nicht nur Land, das ihn reich machte, es waren vor allem die billigen Arbeitskräfte, handelte sich bei ihm doch um einen der größten Sklavenhalter seiner Zeit mit teilweise bis zu 700 Sklaven. Seine Einstellung war mehr oder weniger auch typisch für einen solchen: Er hielt alle Menschen für grundsätzlich gleichwertig – falls es sich bei ihnen um weiße Männer handelte. Dennoch unterhielt er jahrelang eine Liebschaft mit seiner Haussklavin Sally Hemings und zeugte sechs Kinder mit ihr, natürlich ohne es jemals zuzugeben.
Jefferson hielt das aristokratische System Europas, bei dem eine Minderheit in Saus und Braus lebte und über die Mehrheit verfügte wie … na ja, wie über Sklaven, für korrupt und verlogen. Er selbst jedoch lebte in Virginia ebenfalls in Saus und Braus, zeitweise auch in Frankreich, war bekannt als Gourmet, großer Freund französischer Weine und der Partylöwe unter den Reichen und Schönen.
Nun braucht jede Revolution jemanden, der sich gut ausdrücken kann, und der belesene Jefferson konnte das zweifelsohne. Also wurde er mit der Aufgabe betraut, die Unabhängigkeitserklärung zu schreiben.
Die hätte eigentlich ein ganz einfaches Dokument werden sollen. Die amerikanischen Kolonisten, die ja britische Staatsbürger waren, hatten sich gerade mit Ach und Krach dazu durchgerungen, sich von der Heimat zu trennen, und wollten dies der englischen Krone bloß mitteilen. Ein treffender Satz hätte schon gereicht. Was jedoch am Ende herauskam, als Jefferson endlich den Schlusspunkt setzte, war ein viel zu langes Dokument, in dem die ganzen Ideale einer freien, selbstbestimmten Menschheit formuliert wurden. Drei Tage lang wurde der Text im Kongress hitzig diskutiert und umgeändert und am Ende um ein Viertel gekürzt, vor allem um die von Jefferson selbst verfassten Absätze, die den Sklavenhandel verdammten.
Nur die völlig an den Haaren herbeigezogene Behauptung, dass »Leben, Freiheit und das Streben nach Glück« von Gott gegebene Rechte aller Menschen seien, blieb drin.
Seit einiger Zeit war es in Europa in Mode gekommen, über die Idee »Glück« zu sinnieren. Der englische Philosoph John Locke hatte es getan, auch der deutsche Gottfried Wilhelm Leibniz. Glück schien den europäischen Intellektuellen zum ersten Mal etwas Erstrebenswertes zu sein. Aber keiner von ihnen hatte bis dahin zu behaupten gewagt, dass die Suche nach Glück ein »unveräußerliches Recht« des Menschen sei. Auch seit Jeffersons Tagen hat kaum ein Staat es mehr riskiert, dies in seine Verfassung aufzunehmen. Selbst in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948 steht nur, dass jeder Mensch das Recht auf »Leben, Freiheit und persönliche Sicherheit« habe.
Man sollte sich darüber im Klaren sein, was der Satz nicht sagt.
Er sagt nicht, dass Glück ein Menschenrecht sei, sondern nur, dass jeder das Recht habe, sein Glück zu suchen. Jeffersons Satz steht zwar nicht in der Verfassung, sondern nur in der Unabhängigkeitserklärung, dennoch wurde er zum eigentlichen Grundsatz Amerikas und bestimmt klar und deutlich die Aufgabe unseres Staates: nicht das Volk glücklich zu machen, sondern den Bürgern bei ihrer Suche nach Glück ganz einfach nicht im Wege zu stehen.
Dieser Satz macht ganz Amerika zu einer Art riesigem Freiluftcasino. Jeder kommt in anderer Kleidung, mit einer anderen Vorgeschichte und mit verschieden großen Geldsummen in der Tasche zur Tür herein, aber alle haben den gleichen Traum: am Spieltisch ihr Glück zu finden.
Das erklärt ziemlich genau die amerikanische Mentalität.
Wir wollen gewinnen. Wir wollen den Jackpot. Wir wollen am Tisch stehen und die Chips einkassieren. Deswegen haben wir Geschäftsideen am laufenden Band, deswegen probieren wir alles aus, was uns in den Sinn kommt, ohne lange nachzudenken. Deswegen lieben wir unsere Spinner – sie sind ein Zeichen, dass Amerika noch immer ein Casino ist, wo jeder wetten kann, auf was er mag.
Deswegen sind wir keine Freunde eines sozialen Sicherheitsnetzes: Wer ins Casino geht, braucht doch so was nicht. Er glaubt, er werde schon gewinnen. Das ist auch der Grund, warum sich so viele Amerikaner in ihrer Jugend Krankenversicherung und Altersvorsorge sparen. Sie sind überzeugt, mit ihren Ideen, ihrer Schaffenskraft und dazu mit ein bisschen Glück im Alter sowieso reich zu
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