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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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sein. Wenn sie dann alt und arm und zahnlos sind, tut ihnen das manchmal leid, aber bis dahin hatten sie immerhin eine tolle Zeit, Prost!
    Deswegen haben wir es auch nicht so mit Recht und Ordnung: Zu viele und zu eng formulierte Gesetze empfinden wir als hinderlich. Das stört unseren Spieltrieb. Sicher, wir haben Gesetze, aber wir haben auch viele Schlupflöcher. Wir mögen natürlich keine Kriminellen – aber wir verherrlichen sie dennoch ganz gern mal, in Filmen wie Der Pate und anderen. Der Brite Adam Smith hatte Schmuggler gar als die heimlichen Helden der Wirtschaft gepriesen, weil sie den staatlichen Protektionismus durchbrechen, und wir stimmen darin mit ihm überein. Wir verstehen Menschen, die die Regeln des Staates umgehen. Sie sind eben auch nur auf der Suche nach Glück.
    Manch außenstehender Beobachter schaut hingegen eher auf einen anderen Satz in unserer Unabhängigkeitserklärung – dass alle Menschen gleich seien. Er fragt sich mit Recht: Wenn manche Menschen so viel reicher sind als andere und viele wiederum so arm wie nur in der Dritten Welt, was hat das noch mit Gleichheit zu tun?
    Doch so war der Satz nicht gemeint. Er wurde ja auch von einem Sklavenhalter geschrieben. Mit »Gleichheit« meinte Jefferson »Chancengleichheit« – dass es auch einem arm geborenen Menschen erlaubt sein müsse, seine ureigene glorreiche Idee, reich zu werden, auszuprobieren, ohne dass sein adliger Herr oder irgendwer mit etwas mehr Grips in der Birne ihm das verbieten kann. Überhaupt, es darf vom Staat aus so wenig verboten werden wie nur möglich. Ein möglichst unbegrenztes Spiel- und Experimentierfeld für jeden soll er garantieren. Nicht soziale Gerechtigkeit, nicht Sicherheit, auch nicht Menschenwürde sind das Ziel unseres Staates, sondern allein das »open playing field«. Er hat lediglich sicherzustellen, dass auch jeder einen Platz am Roulette-Tisch bekommt.
    Wenn ich meinen deutschen Freunden das erkläre, sind sie ob unseres barbarischen Systems schockiert: »Was glaubst du, wie viele Leute den American Dream wirklich erleben?«, empören sie sich.
    Sie haben natürlich recht: Viele finden das Glück nie. Sie gehen arm nach Hause. Das ist so in einem Casino. Wenn es anders wäre, wäre es kein Casino. Und wir hätten das Gefühl, das Spiel sei nicht echt.
    Vater Staat bleibt uns deswegen immer ein wenig suspekt. Wenn er anfängt, die Casino-Regeln zum Vorteil einiger zu verändern, dauert es nicht lange, bis deren Vorteile uns zum Nachteil gereichen. Wir glauben, der Staat wolle uns, wenn wir nicht aufpassen, am Ende heimlich noch das Spiel verderben.
    Diese Idee, dass der Staat den Einzelnen in seinem Tun eher behindert als unterstützt, ist in den USA tiefer verwurzelt, als sich die meisten Menschen in anderen Ländern vorstellen können. Wer die rätselhaften, oft selbstzerstörerisch wirkenden Aktionen der Amerikaner begreifen will, muss dieses Grundprinzip verstehen: Dass unser Staat nur dazu da ist, uns Handlungsfreiheit zu ermöglichen, und nicht dazu, um für irgendwen Partei zu ergreifen. Jedes Einmischen des Staates in die Handlungsfreiheit des Einzelnen wird von einem Amerikaner als latent bedrohliche, ja unlautere Einflussnahme verstanden, die den natürlichen Lauf der Dinge stört.
    Wie von meiner Familie befürchtet, haben meine deutschen Freunde schallend gelacht, als sie von den anfangs erwähnten Pfarrern im Bundesstaat Georgia hörten, die 2010 gegen ein neues Gesetz protestierten, nach dem man keine Waffen mehr in die Kirche mitnehmen darf. Die Geistlichen haben vor dem Senat verlangt, das Gesetz für nichtig zu erklären. Es war schwer für meine Freunde und für mich zu entscheiden: Waren die Pfarrer von Georgia verrückt oder bloß Idioten?
    Weder noch. Sie werden staunen: Sie waren politisch engagiert. Sie sorgten sich nicht um das Wohl ihrer Gemeinde, sondern um die grundsätzliche Ausrichtung des Staates.
    In Georgia und auch in anderen Bundesstaaten war wieder einmal ein halbherziger Versuch unternommen worden, des Missbrauchs von Feuerwaffen Herr zu werden. Mit großem Tamtam wurde also ein Gesetz verabschiedet, das besagte: In öffentlichen Gebäuden und in Kneipen sind Waffen nicht erlaubt. Die armen Kneipen! Wer weiß, wie viele Eckkneipen in Georgia das Rauchverbot überlebt haben, aber nach dem Waffenverbot dichtmachen mussten?
    Aber nicht nur Kneipen waren von diesem Waffennarren diskriminierenden Gesetz betroffen, sondern eben auch Kirchen. Ob der Gesetzesgeber

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