Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
traurigen Wahrheit schaute er sich seine Lage etwas genauer an und sagte sich: »Pleite bin ich so oder so, da habe ich wohl keine Wahl. Ich kann aber hier in Bellingham pleite sein, oder ich kann irgendwo pleite sein, wo es Spaß macht.«
So verkaufte er alles, was er hatte. Er kratzte seine letzten Dollars zusammen und setzte Frau, Kinder und sich selbst ins Flugzeug nach Hawaii. Dort angekommen, schlug er das Telefonbuch auf und suchte nach Arbeit.
Mein Vater ist nie reich geworden. Er arbeitete in Hawaii als Ingenieur, ging jeden Sonntag in die Kirche und erzog sechs Kinder. Nebenbei versuchte er sich ohne Erfolg in der lokalen Politik und machte zusätzlich zu seinem Acht-Stunden-Job einen Laden auf, der mehr schlecht als recht lief. Sein Leben war alles in allem eher mäßig erfolgreich, auf jeden Fall nicht das große Ding. Wohl so ähnlich wie das Leben derjenigen, die in Bellingham geblieben sind und sich keine »Hawaii Rules« geleistet haben. Man kann letztlich nicht sagen, dass – abgesehen vom Wetter – die eine Art zu leben eindeutig »besser« ist als die andere.
Nicht nur meinem Vater erging es so. Auch Henry David Thoreau bekam in seiner Einsiedelei in Waldens Wald am Ende keine Belohnung. Er gewann keine große Erkenntnis, fand durch sein kleines Experiment keine schlagenden Beweise für irgendwas, wurde weder zum Dauerwaldschrat noch zum weisen Einsiedler. Dafür entdeckte er etwas, das er nicht erwartet hatte.
In seinem berühmten Buch schreibt er: »Eines habe ich schließlich doch aus meinem Experiment gelernt: dass man, falls man vertrauensvoll der Richtung seiner Träume folgt und es in Angriff nimmt, tatsächlich das Leben zu leben, das man sich vorgestellt hat, eine Art Erfolg erleben wird, den man sich in gewöhnlichen Zeiten nicht vorzustellen vermag.«
Diese eine Übertretung der »Bellingham Rules« änderte auch für meinen Vater alles. Er wurde nicht im Sinne des amerikanischen Traums mit Reichtum belohnt, aber dafür bekam er ein anderes Leben. Das ist der eigentliche Gewinn, auf den wir Amerikaner hoffen, wenn wir das Casino betreten. Egal, was dort passiert, wir sind andere, wenn wir wieder herauskommen.
So kam es, dass ich unter Palmen aufgewachsen bin.
6
Wir lieben Geld
E s gibt einen ganz einfachen Grund, warum kein Mensch da draußen versteht, warum wir Amerikaner so ticken, wie wir ticken: Wir lügen.
Wir erzählen die Geschichte von der Gründung unseres Landes gern als hehre Saga von religiöser Verfolgung, Flucht in die Freiheit und Errichtung eines Staates, in dem alle Menschen gleich sind. Kommt die Rede auf den Bürgerkrieg, sprechen wir von der Befreiung der Sklaven, und beim Thema Zweiter Weltkrieg heißt es, es sei um die Bekämpfung der Tyrannei und die Verbreitung der Demokratie gegangen.
Was wir nicht sagen, ist: Mit »Freiheit« meinen wir »Geld«.
Geschätzte 413 Milliardäre leben heute in Amerika und so viele Millionäre, dass die Schätzungen hier weit auseinandergehen: Es sind wohl mindestens 10 Millionen. Das gab es noch nie in der Weltgeschichte.
In seinem Buch Richistan teilt Robert Frank die Superreichen in drei Kategorien ein:
In der untersten Kategorie gibt man jährlich 5.300 Dollar für Wellness aus. In der mittleren steigen die Ausgaben für Wellness auf 42.000 an. Diese Megareichen können aber nur mit Neid auf die Gigareichen blicken, die sich ihr Wohlbefinden 169.000 Dollar im Jahr kosten lassen. Was genau der Unterschied zwischen einem 5.300-Dollar-Masseur und einem für 169.000 Dollar ist, weiß ich auch nicht. Aber ich würde es gern mal erfahren. Vielleicht findet die Massage ja auf dem Glasboden eines Zeppelins statt, der gerade über einen ausbrechenden Vulkan fliegt, begleitet von live eingespielter Beruhigungsmusik.
Man wirft den Superreichen gern vor, sie nähmen nur, gäben aber nichts zurück. Das stimmt nicht ganz. Auch nicht mit Blick auf die Wirtschaft. Immer mehr Firmen sind in den letzten Jahrzehnten aus dem Boden geschossen, die nur dank der neuen, wachsenden Klientel der Superreichen möglich sind.
Zum Beispiel Mojave Aerospace Ventures, ein Konsortium, das mit anderen Firmen zusammen daran arbeitet, Raumflüge für Privatpersonen anzubieten. Der erste erfolgreiche Testflug wurde 2004 mit dem 25 Millionen Dollar teuren SpaceShipOne absolviert.
Ganz normale Jets mögen dagegen poplig wirken, sind aber immer noch der Renner. 2005 verkauften Jet-Hersteller wie Gulfstream, Bombardier und Dessault 750 Flugzeuge,
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