Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
im großen Stil auf die Jagd und verkauften den Weißen die Pelze. Es gab unglaublich viele Tiere in Amerika, eine beinahe endlose Quelle (bis sie dann doch langsam versiegte). Der Historiker John Steele Gordon schreibt in seinem Buch Empire of Wealth , dass die Kolonie Carolina Province schon 50 Jahre vor der Gründung der USA durchschnittlich 53.000 Hirschfelle im Jahr nach England exportierte. Erst im 19. Jahrhundert, als sich die Hutmode in Europa änderte und Pelzmützen plötzlich out waren, brach der Markt zusammen. Gerade noch rechtzeitig für den amerikanischen Biber, der mehr Glück hatte als Martha.
Als Nächstes fiel uns auf, dass sich vor unserer Haustür endlos weite Wälder erstreckten. Nach Gordon standen 1655 schon über 20 Sägemühlen allein am Piscatagua Fluss in New Hampshire – und 50 Jahre später waren es 70. Wieder war es Europa, das das Holzgeschäft so lukrativ machte: Die Wälder Englands waren schon so gut wie abgeholzt, und die dortige Stahlindustrie konnte selber keine Holzkohle mehr produzieren.
Wer von den Anfängen der amerikanischen Wirtschaft spricht, nennt meist nur Baumwolle und Tabak. Die Grundlage aber war das Holz – die ganze spätere Industrie basierte darauf. Dem Reichtum an Holz verdanken wir unseren ersten Erfolg, und wir vergessen das nicht so schnell.
Und die Bedeutung der Ölförderung für Texas muss ich wohl nicht erwähnen. Während viele europäische Länder von ihren natürlichen Ressourcen nicht mehr lange leben können, wächst der Amerikaner mit der Idee auf, sein Land sei ein endloses Füllhorn. Die Ausbeutung unserer scheinbar unendlichen Ressourcen ist amerikanische Tradition wie das Gebet vor dem Abendessen – und auch genauso alt.
So kommt es, dass die Regierung fleißig Naturschutzgesetze macht – und der Konsument seinen Fernseher fleißig den ganzen Tag laufen lässt.
Genauso alt ist aber eben auch unser Bedürfnis, die außergewöhnlichen Landschaften unserer Heimat zu schützen. Schon 1872, als ein Anwalt aus Montana nach langem Kampf den Kongress davon überzeugte, ein riesiges, bizarres Gelände voller blubberndem Matsch, sprudelnder Geysire und versteinerter Bäume in Wyoming unter Naturschutz zu stellen, entstand so der erste Nationalpark der Welt: Yellowstone.
Dabei ist Yellowstone nicht nur das Schönste, was die USA zu bieten haben, sondern auch das Gefährlichste, denn das ganze Gebiet befindet sich auf einem der größten Supervulkane des Planeten. Wenn der irgendwann in den nächsten 260.000 Jahren noch einmal hochgeht, wird er zwei Drittel des Landes in Schutt und Asche legen. Man könnte es fast ironisch nennen, dass der amerikanische Umweltschutz in einer Gegend begann, die uns alle irgendwann zerstören wird.
Nach Yellowstone wurde es zum Trend, Nationalparks einzurichten. Das wurde auch die Spezialität des 1892 gegründeten »Sierra Club«, der ersten und wichtigsten Umweltschutzorganisation der USA . Aus dieser gingen andere, modernere Organisationen hervor.
Als beispielsweise die USA 1964 in Alaska Atomtests durchführten, suchten einige amerikanische und kanadische Mitglieder des »Sierra Clubs« nach einer neuen Art des Protests. Einige von ihnen waren Quäker, und sie dachten an eine ihrer alten Traditionen, die man »bearing witness«, also »Zeugnis geben« nennt: Man steht einfach rum und schaut dabei zu, was die anderen so anstellen. Und allein dadurch, dass diese wissen, sie werden kritisch beobachtet, erreicht man schon Wirkung.
1970 veranstalteten sie ein Benefizkonzert mit Joan Baez, die ebenfalls zufällig Quäkerin war (diese Quäker sind überall, Sie werden noch sehen), und segelten mit dem Geld nach Alaska, wo sie gegen den nächsten Atomtest protestierten. Sie kamen nicht weit: Die Küstenwache verjagte sie.
Besiegt und entmutigt kehrten sie mit hängenden Köpfen heim – wo sie als Helden empfangen wurden. Die Geschichte ihrer Konfrontation mit der übermächtigen Marine war ihnen vorausgeeilt, und die Presse war begeistert. Auf einmal war aus einem Mischmasch von Amerikanern und Kanadiern, »Sierra Club«- und Quäkermitgliedern die größte und einflussreichste Umweltschutzorganisation der Welt entstanden: Greenpeace.
Es ist nun keineswegs so, dass wir Amerikaner nicht wissen, dass wir Umweltsünder sind. Im Gegenteil: Das wird uns vom »Sierra Club«, von Greenpeace und zahlreichen anderen Organisationen tagtäglich vor Augen gehalten. So oft und so drastisch, dass die Sache schon fast zu einem
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