Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
Lincoln gegründet wurde), an die Macht kamen. Ihr Programm: die Eingrenzung und eventuell auch Abschaffung der Sklaverei.
So vergaßen die Amerikaner vorübergehend ihre Angst vor den Deutschen, und diese konnten weiterhin so leben, als ob sie nicht Teil der USA wären.
Es wurmte ihre Nachbarn aber weiterhin, dass diese Zugezogenen einfach kein Englisch sprechen wollten. Damit signalisierten sie wohl, sie seien keine Amerikaner und wollten es auch nicht werden, danke schön. Eine Zeitung schrieb 1857: »Die vier deutschen Viertel im östlichen Buffalo, New York, sind so wenig amerikanisch wie das Herzogtum Hessen-Kassel.«
»Die Sprache hat sich viel länger gehalten, als man gemeinhin annimmt«, erzählte mir der Historiker Walter D. Kamphoefner von der A&M Universität in Texas. »Meine Familie ist nun schon in der fünften Generation in Amerika, und selbst mein Vater konnte immer noch bestes Deutsch. Von den Deutschen, die in den 1940ern in Amerika geboren wurden, nannten nur die Hälfte Englisch als Muttersprache. In Texas und Missouri konnte man schwarzen Kindern begegnen, die fließend Deutsch sprachen.«
Das nervte die anderen Amerikaner so sehr, dass sie Gegenmaßnahmen ergriffen. In manchen Bundesstaaten probierte man, die starrköpfigen Neubürger per Gesetz zur Integration zu zwingen. In den 1890ern gab es Versuche der Zwangsamerikanisierung, bei der die Schulen dazu verdonnert wurden, den gesamten Unterricht auf Englisch abzuhalten. Das ging in die Hose. Die Politiker hatten wohl gedacht, die deutschsprachigen Mitbürger könnten nicht genug Englisch, um wählen zu gehen. Anscheinend aber doch. Bei der nächsten Wahl verloren die anti-deutschen Politiker allesamt ihr Amt.
Fragt man Migrationsforscher, wie lange die Phase der Integration normalerweise dauern sollte, verweisen sie oft auf das Drei-Generationen-Modell: Die erste Generation arbeitet am Fließband oder auf dem Feld und integriert sich nicht, die zweite ist zweisprachig und macht den eigenen Handyladen oder ein Nagelstudio auf, die dritte Generation ist dann schon integriert, beherrscht die ursprüngliche Muttersprache nicht mehr und wird entweder Arzt oder sitzt den ganzen Tag vor dem Fernseher und macht überhaupt nichts aus sich, wie sich das für einen ganz normalen Amerikaner gehört, regt sich aber auf, wenn Kinder anderer Migranten an ihnen vorbeiziehen.
Die Deutschen haben bewiesen, dass dieses Modell zu simpel ist. Manche Gruppen sind halt stur. Und die Deutschen in Amerika gehörten in der Tat eher zu denjenigen, die etwas länger brauchten.
Erst als der Erste Weltkrieg ausbrach, überlegten sie sich, ob es nicht Vorteile hätte, sich doch anzupassen. Der Hass auf den deutschen Kaiser war so groß, dass die Deutsch-Amerikaner plötzlich entdeckten, dass sie ja auch Englisch konnten. Über Nacht verschwanden die deutschen Straßenschilder und wurden durch englischsprachige ersetzt. Deutschsprachige Zeitungen gingen ein. Städte wurden umbenannt: aus Marienfeld wurde Stanton, aus New Brandenburg wurde Old Glory.
Vorübergehend verschwand sogar der »Hamburger«.
Damals aß man gern »hamburger steak« – Hacksteak. Allerdings war das Wort »Hamburger« eng mit deutschen Einwanderern verknüpft, deshalb erfuhr das »hamburger steak« im Ersten Weltkrieg eine Namensänderung, damit man es weiterhin bestellen konnte, ohne sich wie ein Vaterlandsverräter vorzukommen: Fortan hieß es »salisbury steak«. Damit wurde eine Tradition begründet, bei der wir Amerikaner unseren Patriotismus durch Essen ausdrücken. Wir verdrücken weiterhin die leckeren Speisen des Feindes, dessen Herkunft muss aber verschwiegen werden. So wurde auch gleich Sauerkraut in »liberty cabbage« umbenannt und etwa 80 Jahre später, als klar wurde, dass die Franzosen bei der Invasion des Iraks nicht mitmachen würden, hießen Pommes Frites – »french fries« – plötzlich »freedom fries«. Allerdings halten wir das nur so lange durch, bis wir alle wieder Freunde sind. Manchmal nicht einmal so lange.
Hätte es die beiden Weltkriege nicht gegeben, würden die Deutschen in Amerika wohl heute noch Deutsch sprechen. »Als mein Opa im Ersten Weltkrieg in die Army eintrat und zum Training geschickt wurde, schrieb ihm seine Mutter, die in Missouri geboren war, einen Brief auf Deutsch«, erzählte Kamphoefner. »Das unterband er aber ganz schnell. Es zeigt jedoch, wie getrennt voneinander kulturelle und politische Loyalitäten sind. Die Deutschen hatten keine
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