Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
sich am nächsten Morgen wieder an ihr zerstörerisches Werk machen wollte, stand urplötzlich ein riesiger Klumpen Eisen im Weg. Die Besatzung der Merrimac glaubte zuerst, dass es sich um einen überdimensionalen Dampfkessel handle, der gerade über den Fluss transportiert wurde. Erst langsam dämmerte es den Männern, dass sie ihrem Spiegelbild aus dem Norden gegenüberstanden: der Monitor .
Es folgte ein Kampf der Titanen: Die beiden stählernen Ungetüme beschossen einander drei Stunden lang, ohne dass sie irgendeinen Schaden anrichten konnten: Ihre Geschütze waren für Holzschiffe gedacht. Als ein paar Splitter in die Augen des Monitor -Kapitäns flogen, musste sich das Schiff zeitweise zurückziehen. Die Merrimac interpretierte das als Rückzug, erklärte den Sieg und zog weiter. Als die Monitor jedoch zurückkam, war die Merrimac schon nicht mehr da, und die Nordstaatler erklärten sich kurzerhand ebenfalls zu Siegern.
Die Schlacht endete unentschieden, aber der Bericht davon ging um die Welt, und Großbritannien und Frankreich, die weltgrößten Seemächte, ordneten einen sofortigen Baustopp für alle Holzschiffe an. Von jetzt an wurden nur noch Schiffe mit stählernem Rumpf gebaut – und viele davon mit Rammböcken vorne.
Der amerikanische Bürgerkrieg war, nach den Feldzügen Napoleons, auch der zweite »totale Krieg« der Moderne, bei dem alle Ressourcen, inklusive Zivilisten, als Teil der Kriegshandlung angesehen und in den Krieg mit einbezogen wurden. Vor allem »Sherman’s March to the Sea« war an Grausamkeit und Unerbittlichkeit nicht zu überbieten:
William Tecumseh Sherman war ein prominenter General der Nordarmee, der die wichtige Stadt Atlanta in Georgia, im tiefsten Süden, eingenommen hatte. (Diese Szene kennen Sie bestimmt noch aus dem Film Vom Winde verweht .) Der Krieg wütete nun schon drei Jahre, und es herrschte eine Pattsituation. Sherman suchte nach einer Möglichkeit, dem Süden einen Schlag zu versetzen, der ihm die Kraft rauben würde weiterzukämpfen. Er erinnerte sich an die uralte Kriegslehre von der verbrannten Erde und entschloss sich, so weit hinter die feindlichen Linien zu drängen wie möglich und alles zu zerstören, was ihm dabei im Weg war.
Sherman plante den Marsch detailliert voraus. Anhand einer Volkszählung von 1860 suchte er sich die Gegenden aus, wo die meisten Äcker und die reichsten Plantagen zu finden waren. Mit viel Widerstand war nicht zu rechnen: Die Armee des Südens war im Großen und Ganzen weiter im Norden beschäftigt.
Unterwegs sollten die Soldaten Felder in Brand stecken, Tiere mitnehmen oder töten, Nahrungsmittel stehlen oder vernichten, Brücken verbrennen, Straßen verbarrikadieren, Baumwollspinnereien, Lagerhallen und Wohnhäuser zerstören. Eisenbahngleise wurden herausgerissen, mit Feuer erhitzt und um Baumstämme gewickelt. Bald waren die bizarren Gebilde als »Shermans Krawatten« bekannt. Neben diesem systematischen Zerstörungswerk musste Shermans Heer, das so weit im Hinterland auf sich allein gestellt sein würde, auch irgendwie ernährt werden, und das bedeutete Plünderung.
Ein wenig wurde dabei schon unterschieden: Arme Familien und solche, die mit dem Norden sympathisierten, sollten unversehrt bleiben; Reiche sowie Leute in Gegenden, wo Widerstand geleistet wurde, nahm man härter ran. Die Familienmitglieder sollten nicht misshandelt werden, und sie sollten für »beschlagnahmte« Waren eine schriftliche Bestätigung bekommen, aus der man jedoch keine Kompensationsansprüche ableiten konnte. Schwarzen, die mit dem Norden sympathisierten, sollte erlaubt werden, mit der Armee mitzukommen, sofern das Essen ausreichte. Bis zu 10.000 Sklaven sind diesem Ruf später auch tatsächlich gefolgt.
Lincoln war bei Shermans Plan zuerst etwas mulmig zumute, doch er genehmigte die Aktion, und am 15. November 1864 brach der General – ohne irgendeine Verbindung zur Hauptarmee im Norden und mitten durch Feindesland hindurch – mit seiner Armee von 62.000 Soldaten aus dem brennenden Atlanta auf und marschierte mit seinen Leuten in vier Kolonnen 480 Kilometer weit quer durch Georgia bis nach Savannah ans Meer.
Einzelne Truppen des Südens versuchten immer wieder, Sherman zu stoppen, aber es herrschte ständig Unsicherheit darüber, welchen Weg er als Nächstes einschlagen würde. Leichter war zu erkennen, wo er gewesen war: Sherman hinterließ eine Landschaft aus verbrannten Häusern, verwüsteten Plantagen, in Schutt und Asche gelegten
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