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Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)

Titel: Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric T. Hansen
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Schnee, die im Frühling abgerissen werden mussten, und anderes mehr. Dafür schmiss die Gesellschaft gern teure Partys, zum Beispiel für Dutzende ihr wohlgesinnter Politiker, wenn ein Streckenabschnitt fertig war, komplett mit Orchester, Zauberern und gegrillten Antilopen.
    Aber der größte Schwindel flog erst Jahre später auf.
    Um besser an die Fördertöpfe des Staates zu kommen, gründete die Union Pacific eine angeblich unabhängige Firma, die die Eisenbahnstrecke in ihrem Auftrag finanzieren und bauen sollte: die Crédit Mobilier. In Wahrheit handelte es sich jedoch um eine Strohfirma, die nur einen Zweck verfolgte, nämlich dem Staat so viel Geld wie möglich abzuknöpfen und so wenig wie möglich davon in den Bau der Eisenbahn zu stecken, den Löwenanteil dafür in die Taschen der Gesellschafter. Am Ende hatte der Kongress der Eisenbahngesellschaft 94 Millionen Dollar an Steuergeldern zugeschossen, von denen nur etwa die Hälfte tatsächlich in den Bau der Strecke floss.
    Irgendwie fanden die gewieften »robber barons« aber trotzdem einen Weg, gut dabei auszusehen. Vor allem dank der Erfindung der Philantropie:
    Es ist einer dieser merkwürdigen Widersprüche, denen man in Amerika so oft begegnet: Rockefeller verschenkte sein Geld. Er glaubte nicht bloß an Gott, er glaubte, dass er ohne Religion nicht reich geworden wäre: »Gott gab mir Geld«, war seine Erklärung. Vielleicht deswegen stiftete er die Tradition der »philanthropy«.
    Philanthropie heißt eigentlich einfach »Gutes tun«, aber in Amerika bedeutet es: »Reiche Menschen verschenken ihr Geld.« Es war Rockefeller, der damit anfing, als er über 500 Millionen Dollar spendete, mehr als die Hälfte seines gesamten Vermögens. Allerdings nicht ohne Bedingungen: »Ineffizienten, schlecht bestellten und unnötigen Schulen zu helfen, heißt Geld zum Fenster rauswerfen«, befand er. »Es ist zu vermuten, dass schon so viel Geld an dumme Bildungsprojekte verschwendet wurde, dass damit ein ganzes nationales System für höhere Bildung hätte aufgebaut werden können.« Seine Antwort: der »conditional grant«, bei dem der Beschenkte Rechenschaft über die Verwendung der Gelder ablegen muss.
    Rockefeller spendete an Dutzende Universitäten und gründete oder baute selbst eine Handvoll, einschließlich der University of Chicago, der Johns Hopkins School of Hygiene and Public Health, der Rockefeller University und dem Spelman College für afro-amerikanische Frauen in Atlanta – und kam der schwarzen Bürgerrechtsbewegung damit ein halbes Jahrhundert zuvor. Und die Rockefeller Foundation widmet sich auch heute noch Fragen der öffentlichen Gesundheit und der medizinischen Ausbildung.
    Heutzutage erfüllt die »philanthropy« mehr oder weniger heimlich all jene Aufgaben, die in Europa zumeist auf sozialstaatlichem Wege erledigt werden.
    Der amerikanische Staat darf ja – anders als etwa der deutsche – bei privaten Institutionen wie Universitäten, Krankenhäusern und Museen nicht eingreifen. Wollte der Staat unsere Steuergelder an Hochschulen oder Opernhäuser verschenken, gäbe es einen Aufschrei. Kunst, Kultur und Medizin sind für uns wirtschaftliche Unternehmen wie jedes andere auch und sollen sich gefälligst selbst finanzieren.
    Auf dem indirekten Weg der Steuerabschreibung für Reiche geht es dann aber doch: Die Vermögenden sparen noch mehr Geld und haben ein gutes Gewissen, das Land bekommt eine schicke neue Universität, und womöglich noch eine Handvoll Stipendien obendrauf, und der kleine Mann weiß, seine Steuergelder fließen nicht in irgendwelche überkandidelten Inszenierungen von Wagner-Opern, die er sowieso niemals aushalten würde.
    Heute leben unsere privaten Universitäten, Schulen und diversen Krankenhäuser, Museen, Opernhäuser, öffentlichen Bibliotheken und natürlich die Wohlfahrtsorganisationen hauptsächlich von Rockefellers Erfindung.
    Die jährlichen Spenden an wohltätige Organisationen in ganz Amerika schwanken zwischen 200 und 300 Milliarden Dollar. Ganz oben auf der Liste der großzügigsten Spender stehen die beiden Hedgefonds-Manager Warren E. Buffett (1,9 Milliarden Dollar) und George Soros (332 Millionen Dollar) sowie der New Yorker Bürgermeister Michael R. Bloomberg (279 Millionen Dollar, die an rund tausend Organisationen gehen). Bill Gates hat damit angefangen, nach und nach erst einmal 28 Milliarden Dollar zu verschenken, und hat dann angekündigt, Rockefeller noch zu übertreffen und 95 Prozent seines

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