Planet America: Ein Ami erklärt sein Land (German Edition)
bringen, flüchteten sich manche Südstaatler regelrecht in eine »Wir sind stolz darauf, Südstaatler zu sein«-Attitüde. Sie hängten Fahnen der kurzlebigen unabhängigen Konförderation des Südens, der »Confederacy«, auf – ein Symbol der Niederlage –, als ob es ein Zeichen des Sieges sei. Sie ergriffen Partei für den rassistischen Ku-Klux-Klan und andere rechtsradikale Protestorganisationen, die immer noch zu glauben scheinen, dass der Bürgerkrieg irgendwie (im Untergrund?) gewonnen werden könnte. Sie sahen in den Nordstaaten eine Verschwörung am Werk, den Süden »zu unterdrücken« (»to keep them down«) – und verstanden nicht, dass der Süden für den Norden keine Konkurrenz mehr war und gar nicht »unten gehalten« werden musste. Sie hingen (selbst für unsere Verhältnisse) seltsamen Kirchen mit bizarren Bräuchen an, schwelgten in Nostalgie, anstatt ihre durchaus lösbaren Probleme anzugehen, und wollten nicht in die Zukunft schauen, denn sie liebten die Gegenwart nicht. Sie lebten lieber in einer nostalgisch verklärten, aber für immer verlorenen Vergangenheit.
Allerdings muss selbst ich zugeben: Das romantische Bild vom alten Süden hat etwas Betörendes.
Es war eine märchenhafte, imposante Welt, voller ausladender, mit spanischem Moos überwucherten Eichen und weitläufigen schneeweißen Villen, wo man auf der Veranda zwischen Säulen und Schaukelstühlen gerne ein »mint julip« zu sich nahm. Eine Welt der Großfamilien und der Betriebe, die an den ersten Sohn weitervererbt wurden, der rauschenden Feste und Debütanten-Bälle, bei denen die jungen Mädchen wie Pralinen auf dem Silbertablett zum ersten Mal der gehobenen Gesellschaft präsentiert wurden. Der Nordosten hatte seine »robber barons«, doch der Süden besaß seine herrlich arroganten »southern gentlemen« mit vollendeten Manieren und einem Begriff von Männlichkeit und Ehre, den es selbst in England schon lange nicht mehr gab. Das Wort »Daddy« aus dem Mund eines Kindes aus dem Süden hat eine ganz andere Bedeutung als anderswo, und nirgends sonst versetzt einem der Satz: »So hat dich deine Mutter nicht erzogen« einen solchen Stich ins Herz wie im Süden.
Und erst die Duelle! Nichts verkörperte den südlichen Ehrbegriff besser als das Duell.
Das Duell wurde zwar aus Europa importiert, aber in Amerika betrieben wir die Sache anscheinend mit mehr Herzblut. Während Bismarck schon 1865 eine Duellaufforderung ablehnte, angeblich weil es keine zeitgemäße Form der Auseinandersetzung mehr sei, duellierten sich amerikanische Politiker noch mit großer Begeisterung bis 1887. Der damals amtierende Vizepräsident unter Thomas Jefferson, Aaron Burr, tötete 1804 den legendären Finanzminister Alexander Hamilton in einem Duell. Bevor Abraham Lincoln Präsident wurde, hat man ihn zum Duell gefordert, und er nahm auch an – erst in letzter Minute konnte man ihm und seinem Kontrahenten das Ganze ausreden. Es waren natürlich nicht nur Männer aus den Südstaaten, die gerne die Klinge kreuzten, diese aber bei weitem am häufigsten.
Andrew Jackson, unser siebter Präsident, behauptete immer wieder stolz, zwischen 13 und 100 Duelle bestritten zu haben. Offenbar zählte er Zweikämpfe in diversen militärischen Auseinandersetzungen dazu, aber es stimmte schon, dass er seine Ehre gern und oft verteidigte: Mehrere Duelle sind belegt, einschließlich eines um die Ehre einer dritten Person, nämlich seiner Ehefrau. Ein Kritiker witzelte, sein Körper enthalte so viele nicht entfernte Kugeln, dass er klackere wie ein Sack voll Murmeln.
Aber nicht nur in diesem Sinne war Jackson der klassische »southern gentleman«: Aufgewachsen als Sohn armer irischer Einwanderer in der Wildnis der Waxhaws zwischen North und South Carolina, kämpfte er als General gegen die Indianer – und gewann, gegen die Briten – und gewann, gegen die Spanier – und gewann, gründete die damals erzkonservative »Democratic Party« mit und hatte schon vor seinem dreißigsten Geburtstag sein ganzes Hab und Gut (eine Plantage mit 300 Sklaven) verwettet. Zweimal. Er überlebte dann auch das allererste Attentat auf einen amerikanischen Präsidenten und war so zäh, dass man ihn nach einem Holz benannte: Old Hickory.
Sein bekanntestes Duell fand 1805 statt. Er stritt sich mit dem Pferdebesitzer Charles Dickinson über die Bedingungen einer verlorenen und längst bezahlten Wette, und da keiner nachgeben wollte, duellierten sie sich eben. Jackson wurde verletzt – die
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