Planeten 03 - Venus
Marguerites Nähe zu bleiben. Ich stellte einen Planetenwissenschaftler dar, rief ich mir immer wieder in Erinnerung, und obwohl sie Biologin war, nahmen wir die Zusammenarbeit auf und untersuchten die Wolken.
Marguerites Labor war zu klein, als dass wir beide gleichzeitig Platz darin gefunden
hätten, und es war auch nicht möglich, dass wir entweder in ihrer Unterkunft oder in meiner arbeiteten: Die Räumlichkeiten bestanden nur aus einer schmalen Koje mit einem Paravent als Sichtschutz. Wir hätten zwar zusammen in eine Koje gepasst, nur dass das kein geeigneter Ort für wissenschaftliche Forschungen gewesen wäre. Ich fragte mich wirklich schon, wie es wohl wäre, an Marguerite geschmiegt in der Koje zu liegen.
Aber sie war an keiner Romanze mit mir interessiert, das war klar. Stattdessen verwandelten wir die Beobachtungsstation in der Nase der Gondel in ein provisorisches Labor, wo wir Proben von den Wolkentröpfchen nahmen und sie analysierten.
»Es gibt wirklich Wasser in den Wolken!«, rief Marguerite fröhlich, nachdem wir einen ganzen Tag lang die Ergebnisse der Spektralanalysen überprüft und nachgemessen hatten.
»Dreißig Teile pro Million«, grummelte ich. »Es könnte genauso gut null sein bei dem ganzen ...«
»Nein, nein, du verstehst das nicht«, sagte sie. »Wasser bedeutet Leben! Wo es Wasser gibt, gibt es auch Leben.«
Sie war wirklich aufgeregt. Ich mimte den Planetenwissenschaftler im Grunde nur, aber für Marguerite war die Suche nach Leben genauso spannend und erfüllend wie Michelangelos Streben, aus unbehauenen Marmorblöcken große Kunstwerke zu schaffen.
Wir saßen im Schneidersitz auf dem Metallboden in der Nase der Gondel, weil dort kein Platz für Stühle war und niemand daran gedacht hatte, Kissen mit an Bord zu nehmen. Die transparente Quarzitnase zeigte nur das amorphe Gelb-Grau der ewigen Wolkendecke: Wir hätten genauso gut eine grau getünchte Wand anstarren können.
Wir hatten zwei Massenspektrometer neben uns stehen, ein halbes Dutzend Palmtops war auf dem Boden verstreut, und ein ganzer Stapel Ausrüstungskisten – manche grau, manche schwarz – war am Schott neben mir aufgebaut und summte vor sich hin.
»Das Vorkommen von Wasser«, legte ich dar, »bedeutet nicht automatisch die Existenz von Leben. Auf dem Mond gibt es reichlich Wasser, aber kein Leben.«
»Es leben aber Menschen auf dem Mond«, konterte sie mit einem scherzhaften Unterton.
»Du weißt doch ganz genau, dass ich damit eingeborenes Mondleben meine.«
»Aber die Wasservorkommen auf dem Mond sind gefroren. Wo immer es flüssiges Wasser gibt, zum Beispiel unter der Eiskruste von Europa ...«
»Der Wasserdampf in diesen Wolken«, unterbrach ich sie und zeigte mit dem Finger aufs Sichtfenster, »stellt kaum einen Ersatz für flüssiges Wasser dar.«
»Für mikroskopische Organismen sehr wohl.«
Ich musste ein Lachen unterdrücken. »Hast du schon welche gefunden?«
Ihrer Begeisterung tat das keinen Abbruch. »Noch nicht. Aber wir werden welche finden!«
Ihre Beharrlichkeit nötigte mir Bewunderung ab.
»Das ist ein Beweis dafür, dass es an der Oberfläche zumindest schwache vulkanische Aktivitäten geben muss«, sagte Marguerite.
»Das glaube ich auch«, pflichtete ich ihr bei.
Die Begründung war recht einfach: Der heiße Wasserdampf in der Venusatmosphäre stieg zur Wolkenoberfläche auf, wo die intensive ultraviolette Strahlung des Sonnenlichts die Wassermoleküle in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltete, die dann in den Weltraum entwichen. Also mussten die Tropfen ständig durch einen frischen Wasservorrat ersetzt werden. Andernfalls wären sie schon vor Äonen dissoziiert worden und vom Planeten verschwunden. Die Wasserquelle befand sich aller Wahrscheinlichkeit nach tief im Innern des Planeten und wurde durch vulkanische Eruptionen in die Atmosphäre geblasen.
Auf der Erde stoßen Vulkane ständig Wasserdampf aus, manchmal auch in Explosionen, die den Gipfel der Berge wegsprengen. Aber der Wasserdampf, den sie ausstoßen, bleibt in der Atmosphäre, also auf der Erde. Er entweicht nicht ins All, weil die Erdatmosphäre in großer Höhe kalt ist und das Wasser kondensiert und als Regen oder Schnee sich niederschlägt. Aus diesem Grund gibt es auf der Erde Meere und auf der Venus nicht. Die ›Treibhaus›-Venus hat keine Kältefalle in der oberen Atmosphäre: In der Höhe, wo auf der Erde die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt, beträgt die Temperatur auf der Venus noch fast
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