Planeten 05 - Saturn
Bewässerungskanal, wo sie Don Diego gefunden hatte. Holly brauchte weder eine Karte noch einen Routenplaner; sie erinnerte sich noch genau an den Ort.
»Was hat Kananga denn herausgefunden?«, fragte sie.
Eberly hob die hängenden Schultern. »Ich weiß nicht. Er sagte, er wolle nicht am Telefon darüber sprechen.«
»Muss etwas Wichtiges sein«, sagte sie und beschleunigte ihre Schritte.
»Muss es wohl.« Eberly berührte den Palmtop in der Brusttasche des Gewands. Er wartete auf einen Anruf von Vyborg, der ihm einen Vorwand lieferte, Holly zu verlassen und ins Büro zurückzugehen. Wieso ruft er nicht an? Will er etwa dafür sorgen, dass ich persönlich in diese Sache verwickelt werde? Will er mich zum Zeugen von Hollys Ermordung machen? Zum Komplizen?
Holly fiel seine Nervosität nicht auf. »Ich frage mich, worum es sich wohl handelt?«
»Worum es sich wobei handelt?«, fragte Eberly mit wachsender Ungeduld.
»Um das, was Kananga gefunden hat.«
Deinen Tod, erwiderte er stumm. Er wird dich töten und mich daran teilhaben lassen.
»Warten Sie«, sagte Eberly und fasste Holly am Arm.
»Was ist denn, Malcolm?«
Er blieb stehen und spürte, wie kalter Schweiß über der Oberlippe und auf der Stirn perlte und am Körper hinunterlief. Ich kann das nicht tun, sagte er sich. Ich darf nicht zulassen, dass sie mich so tief in diese Sache hineinziehen.
»Holly, ich…« Was sollte er sagen? Wie soll ich aus dieser Sache herauskommen, ohne ihr alles zu sagen?
Sein Palmtop summte. Fast ekstatisch vor Erleichterung fischte Eberly ihn aus der Tasche des Gewands und klappte ihn auf.
Statt Vyborgs dunklem, griesgrämigem Gesicht erschien jedoch Morgenthau auf dem winzigen Monitor. Sie lächelte breit. »Ich habe was gefunden«, sagte sie ohne Umschweife.
»Seine Unterhaltungsvideos. Sie sind…«
»Ich bin mit Holly draußen im Garten«, unterbrach er sie in einem gekünstelten Kasernenhofton, der dicht unterhalb der Schwelle zum Brüllen lag. »Was haben Sie herausgefunden? «
Morgenthau schaute im ersten Moment pikiert, schien sich dann aber einen Reim darauf zu machen. »Es handelt sich um einen wichtigen Durchbruch«, sagte sie. »Zu kompliziert, um es am Telefon zu besprechen. Ich muss es Ihnen in allen Einzelheiten zeigen, damit Sie sie mit Professor Wilmot erörtern können.«
»Ist es denn dringend?«, fragte er.
»O ja, sogar sehr dringend.« Morgenthau verstand den imaginären Wink mit dem Zaunpfahl. »Ich schlage vor, dass Sie sofort in mein Büro kommen. Die Sache kann nicht warten.«
»Also gut«, sagte er scharf. »Wir treffen uns in Ihrem Büro.«
Er schaltete den Palmtop aus und schaute zu Holly auf. »Ich muss leider umkehren. Treffen Sie sich schon einmal mit Kananga. Ich werde so bald wie möglich nachkommen.«
Holly war offensichtlich enttäuscht, aber sie nickte verständnisvoll. Wortlos machte Eberly kehrt und ging schnell zum Dorf zurück, wobei er beschwingt zwischen den Bäumen hindurchschritt. Verwirrt drehte Holly sich um und ging zum Bewässerungskanal weiter. Dann wurde sie sich bewusst, dass sie Kananga allein gegenübertreten würde. Die Aussicht gefiel ihr zwar nicht, aber sie wollte unbedingt herausfinden, was der Sicherheitschef über Don Diegos Tod in Erfahrung gebracht hatte.
Nein, nicht über seinen Tod, sagte Holly sich. Über seine Ermordung.
Manuel Gaeta fühlte sich unbehaglich ‒ was ihm in seinem bisherigen Leben noch nicht allzu oft passiert war. Während er den Gang entlang zu Nadia Wunderlys kleinem Büro ging, war er nervös wie ein Teenager vor seiner ersten Verabredung.
Wie ein kleiner Junge, der zur Beichte geht.
Die Tür mit der Aufschrift PLANETENWISSENSCHAFTEN stand weit offen. Der Bereich dahinter war ein Labyrinth aus schulterhohen Trennwänden, zwischen denen Wissenschaftler und ihre Assistenten konzentriert arbeiteten. Gaeta war schon oft genug hier gewesen, um den Weg zu kennen, doch an diesem Morgen war er so verwirrt und orientierungslos, dass er sich durchfragen musste. Alle schienen zu wissen, wer er war, und wiesen ihm lächelnd den richtigen Weg. Er hatte den Eindruck, dass die Frauen besonders warmherzig lächelten.
Dafür ist jetzt keine Zeit, rief er sich zur Ordnung.
Gaeta fühlte sich irgendwie wie eine Maus im Labyrinth eines Psychologen; schließlich erreichte er Wunderlys winziges Büro, das im hintersten Winkel des Raums gelegen war.
»Guten Morgen, Manny«, sagte sie und schaute kaum auf, als er am Eingang stehen
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