Planeten 05 - Saturn
hätte er die Stimme nicht so schnell wiederfinden müssen.«
269 Tage nach dem Start
Als Holly am nächsten Morgen in ihrem winzigen Büro erschien, hatte sie schon eine Nachricht von Eberly auf dem Computerbildschirm. Sie setzte sich gar nicht erst an den Schreibtisch, sondern ging gleich in sein Büro. Die Tür stand offen; er saß am Schreibtisch und war in ein Gespräch mit einem jungen asiatischen Paar vertieft. Sie zögerte. Eberly schaute zu ihr auf und nickte kurz; also blieb sie am Eingang stehen und hörte zu.
»Wir haben die Bestimmungen und ihren tieferen Sinn schon verstanden«, sagte der junge Mann in kalifornischem Englisch.
Holly sah, dass er angespannt war und steif auf der Stuhlkante saß.
»Es ist meine Schuld«, sagte die Frau. Sie beugte sich nach vorn und packte mit beiden Händen die Kante von Eberlys Schreibtisch. »Ich habe mich nicht ausreichend geschützt.«
Eberly lehnte sich auf dem Stuhl zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Die Bestimmungen sind eindeutig«, sagte er sanft. »Sie werden nicht um eine Abtreibung herumkommen.«
Die Gesichtszüge des Manns entgleisten. »Aber… es ist doch nur ein Einzelfall. Könnten Sie nicht vielleicht eine Ausnahme machen?«
»Wenn ich bei Ihnen eine Ausnahme machen würde«, sagte Eberly, »könnten andere das auch für sich beanspruchen, nicht wahr?«
»Ja. Ich verstehe.«
Eberly spreizte in einer Geste der Hilflosigkeit die Hände.
»Wir leben in einer beschränkten Ökologie. Wir dürfen die Population nicht vergrößern. Erst wenn wir den Saturn erreichen und zeigen, dass wir auch eine größere Anzahl von Menschen zu ernähren vermögen, wird überhaupt irgend jemand wieder Kinder bekommen dürfen.«
»Dann muss ich also abtreiben lassen?«, fragte die Frau mit zitternder Stimme.
»Oder wir setzen Sie ab, wenn wir am Jupiter auftanken, und Sie fliegen zur Erde zurück.«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Wir können uns die Transportkosten nicht leisten. Alles was wir hatten, haben wir in dieses Habitat investiert.«
»Haben sie religiöse Bedenken wegen der Abtreibung?«, fragte Eberly.
»Nein«, antwortete der Mann so schnell, dass Holly sich darüber wunderte.
»Gäbe es noch eine andere Möglichkeit?«, fragte ‒ bettelte ‒ die Frau.
Eberly legte wieder die Fingerspitzen aneinander und tippte sich ans Kinn. Das junge Paar beugte sich unbewusst nach vorn und wartete auf ein Wort der Hoffnung.
»Vielleicht…«
»Ja?«, sagten sie unisono.
»Vielleicht wäre es möglich, die befruchtete Zygote zu entnehmen und einzufrieren ‒ und sie zu lagern, bis darüber entschieden ist, ob wir unsere Population vergrößern können.«
Einfrieren! Holly schauderte bei dieser Vorstellung. Und doch war so ihr Leben gerettet worden. Nein, sagte sie sich.
Dadurch war es ihr ermöglicht worden, ein neues Leben zu beginnen, nachdem ihr altes mit dem Tod geendet hatte.
»Dann kann die Zygote wieder in die Gebärmutter eingepflanzt werden«, sagte Eberly. »Sie werden ein ganz normales Baby bekommen; Sie müssten nur ein paar Jahre warten.«
Er lächelte sie fröhlich an. Sie schauten sich an und dann wieder ihn.
»Wäre das wirklich zu machen?«, fragte der junge Mann.
»Es würde zwar eine Sondergenehmigung erfordern«, sagte Eberly, »aber ich kann das für Sie arrangieren.«
»Würden Sie das für uns tun?«
Er zögerte nur für einen Sekundenbruchteil. Dann lächelte er wieder und sagte: »Ja. Natürlich. Ich werde mich für Sie darum kümmern.«
Sie waren ihm unendlich dankbar. Es dauerte einige Minuten des Händeschüttelns und der Verbeugungen, bevor es Eberly gelang, sie aus dem Büro hinauszukomplimentieren. Sie nahmen nicht einmal Notiz von Holly, die noch immer an der Tür stand, während sie sich mit dankbaren Verbeugungen verabschiedeten.
»Das war sehr nobel von Ihnen, Malcolm«, sagte Holly, als sie zum Stuhl ging, auf dem die Frau gesessen hatte.
»Geburtenkontrolle«, murmelte er, als er um den Tisch ging und sich setzte. »Ich habe es arrangiert, dass dies in die Zuständigkeit der Human-Resources-Abteilung fällt. Die Ökologen wollten es zwar an sich ziehen, aber ich habe das so gedeichselt.« Holly nickte.
»Diese beiden werden mir gegenüber nun für immer loyal sein«, sagte Eberly und wies grinsend auf die noch immer offene Tür. »Oder zumindest so lang, bis ihr Kind ein Teenager ist.«
Holly fand das nicht lustig. »Sie wollten mich sprechen?«, sagte sie.
»Ja«, sagte er und
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