Planeten 05 - Saturn
Holly. Sie müssen aufhören, ihn abzulenken.«
Sie versucht ihn zu schützen. Sie stellt sich zwischen Malcolm und mich.
Holly erhob sich. »Ich hätte Ihnen sagen sollen, dass ich den Nachmittag frei nehmen wollte«, sagte sie kalt. »Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Gut!« Morgenthau klatschte so laut in die Hände, dass Holly erschrak. »Wo wir das nun geklärt hätten ‒ ich werde heute den ganzen Tag nicht im Büro sein. Sie übernehmen die Vertretung.«
»Wo werden Sie denn sein?«, fragte Holly überrascht über den plötzlichen Wechsel der Tonart.
Morgenthau lachte leise und wedelte mit dem Finger in der Luft. »Nein, nein, ich muss Ihnen nicht sagen, wohin ich gehe. Ich bin schließlich Abteilungsleiterin. Ich kann kommen und gehen, wie es mir beliebt.«
»Ja, stimmt. Sicher.«
»Aber nur zu Ihrer Information«, sagte Morgenthau und stemmte sich schnaufend vom Bürostuhl hoch, »ich werde den ganzen Tag mit Malcolm verbringen. Wir werden ein paar Entwürfe für die neue Verfassung erörtern.«
Eberly trank Kräutertee, während Vyborg und Jaansen leise, aber leidenschaftlich diskutierten. Kananga war von dieser Unterhaltung offensichtlich gelangweilt, während Morgenthau sie schweigend verfolgte und dabei Pralinen futterte.
Kananga ist ein Mann der Tat, sagte Eberly sich. Er ist kein tiefgründiger Denker, was aber auch nur von Vorteil ist. Er gibt ein nützliches Werkzeug ab. Morgenthau ist da schon anders. Sie sitzt nur stumm wie eine Sphinx da und beobachtet alles. Was wohl in ihrem Kopf vorgeht? Was wird sie von den hiesigen Vorgängen nach Amsterdam berichten? Vermutlich alles.
»Wenn man den Leuten all diese persönlichen Freiheiten zugesteht«, sagte ‒ beziehungsweise zischte ‒ Vyborg, »wird das Resultat Chaos sein. Anarchie.«
»Die meisten Bewohner sind doch in dieses Habitat gegangen, um repressiven Regimes zu entfliehen. Wenn ihre persönliche Freiheit nicht garantiert wird, dann werden sie die ganze Verfassung ablehnen.« Jaansen lehnte sich auf dem Sofa zurück und lächelte, als ob er die Diskussion schon für sich entschieden hätte.
»Persönliche Freiheit«, spie Vyborg förmlich aus. »Das ist genau die Art von Freizügigkeit, die fast zum Zusammenbruch der Zivilisation geführt hätte. Wenn da nicht die Neue Moralität gewesen wäre…«
»Und die Heiligen Jünger«, warf Morgenthau ein. »Und das Schwert des Islam«, fügte sie mit einem Blick auf Kananga hinzu. Jaansen schaute sie und Vyborg mit einem Stirnrunzeln an.
»Was auch immer Sie davon halten, diese Leute werden keine Verfassung akzeptieren, die nicht ihre historischen Rechte garantiert. Sie sind nur deswegen hier, weil sie der Restriktionen auf der Erde überdrüssig waren.« Vyborg war da anderer Ansicht. Er führte die Debatte fort.
Der am Ende des Kaffeetischs sitzende Eberly sagte sich, dass Vyborg, der auf dem besten Lehnstuhl des Raums saß und die storchenartigen Beine unter sich angezogen hatte, wie eine zusammengerollte Schlange aussah: dünn, klein, dunkelhäutig und mit bedrohlich glitzernden Augen. Jaansen war das genaue Gegenteil: ruhig, hellhäutig und so stoisch wie ein Gletscher. Und er hatte noch immer diesen verdammten Palmtop in der Hand und spielte damit herum wie mit einem Voodoo-Requisit.
»In einer geschlossenen Ökologie wie dieser dürfen wir keine Wirrköpfe und Unruhestifter dulden«, schaltete Kananga sich ein. »Wir sollten sie ohne Raumanzug aus der Luftschleuse stoßen!«
Morgenthau lachte. »Mein lieber Oberst, wie können wir uns auf Luftschleusen-Justiz verlegen, wenn das Gesetz jedem Bürger einen ordentlichen Prozess für jedes Vergehen garantiert, das er vielleicht begeht?«
»Meine Rede!«, rief Vyborg und schaute Jaansen ins Gesicht.
»Wir haben hier keinen Platz für eine Kuscheljustiz.«
Morgenthau schürzte die Lippen und sagte: »Es gäbe vielleicht noch eine andere Möglichkeit.«
»Und welche?«
»Ich habe gehört, dass Wissenschaftler auf der Erde damit experimentieren, Menschen elektronische Sonden in den Schädel einzupflanzen. Sie verbinden die Sonden mit dem Gehirn…«
»Bioelektronik«, sagte Jaansen.
»Ja«, pflichtete Morgenthau ihm bei. »Indem diese Sonden mit verschiedenen Gehirn-Zentren verbunden werden, vermag man das Verhalten einer Person zu kontrollieren und zum Beispiel kriminellen Verhaltensweisen vorzubeugen.«
»Na und?«, fragte Vyborg missmutig.
»Vielleicht können wir solche Sonden verwenden, um auch hier das Verhalten zu
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