Planeten 05 - Saturn
Schärfe vor Urbains geistigem Auge:
»Wir können doch nicht unsere besten Leute für ein paar Jahre auf Eis legen, Edouard. Sie fliegen mit einem Rumpf-Team zum Saturn. Wenn Sie in einen Orbit um den Planeten gegangen sind, werden wir unsere Top-Forscher in einem Schiff mit Ionentriebwerk zu Ihnen hochschicken, so dass sie in zwei Monaten bei Ihnen sind.«
Diese Schmach brannte noch immer in Urbains Herzen. Ich gehöre also nicht zu ihren besten Leuten. Ich habe mein Leben lang auf dem Mars und auf dem Mond gearbeitet, drei Jahre im Orbit um dieses Höllenloch von Venus verbracht, habe mein Leben der Planetenwissenschaft gewidmet ‒ und dann traut man mir nur zu, Kindermädchen für ein Rumpf-Team aus Wissenschaftlern zu spielen, die auch nur zweite Garnitur sind.
Das schmerzte. Es schmerzte heftig. Zumal seine Frau sich geweigert hatte, mit ihm zu kommen; stattdessen hatte sie die Scheidung verlangt. Sie hatte ihm seit Jahren gesagt, dass es töricht von ihm sei, die politischen Aspekte seiner Karriere zu ignorieren.
»Such dir Freunde«, hatte Jearvne-Marie ihm immer wieder gesagt. »Stell dich gut mit denjenigen, die etwas für dich tun können.«
Doch dazu war er nicht in der Lage. Das war einfach nicht sein Stil. Er hatte gute und solide Arbeit geleistet; nicht unbedingt auf dem Niveau, auf dem man Nobelpreise gewinnt, aber es waren trotzdem wichtige Beiträge gewesen.
Und nun dies. Das Ende der Straße. Zum Saturn verbannt. Ich werde im Rentenalter sein, wenn ich endlich aus diesem Habitat herauskomme.
Ich hätte mehr auf Jean-Marie hören sollen. Ich hätte ihren Rat befolgen sollen. Ich hätte auch dem Berater der Neuen Moralität größere Aufmerksamkeit schenken sollen. Sie ziehen nämlich die Strippen hinter den Kulissen. Mittelmäßige Gläubige werden befördert, während kompetente Forscher wie ich auf keinen grünen Zweig kommen. Ein vergeudetes Leben, sagte er sich.
Und doch flammte beim Blick auf Jupiter, der wie eine Leuchtboje in den dunklen Tiefen des Alls hing, wieder die alte Neugier in ihm auf. Es gibt dort draußen ein ganzes Universum, das der Erforschung harrt! Welten über Welten!
Ich werde zwar nicht in der Lage sein, Jupiter und seine Monde zu studieren, aber ich werde vor allen anderen den Saturn erreichen. Ich werde die ersten Echtzeit-Sonden auf Titans Oberfläche hinunterschicken.
Er dachte an das Kettenfahrzeug, das seine Leute gerade bauten. Es wird auf der Oberfläche von Titan kreuzen und in ein paar Wochen mehr Daten über diese Welt sammeln, als sämtliche Wissenschaftler auf der Erde während ihres ganzen Lebens anzuhäufen vermocht hatten. Bevor die jungen und dynamischen Nachwuchskräfte die Ionentriebwerks-Schiffe auch nur besteigen, werde ich schon Daten von Titan senden.
Und von der Wolkenschicht des Saturn. Und von den Eisringen.
Vielleicht wird mein Leben doch nicht vergeudet sein, sagte Edouard Urbain sich. Vielleicht werde ich diesmal einen Volltreffer landen. Vielleicht werde ich doch noch einen Nobelpreis einheimsen.
Vielleicht, sagte er sich, wird sogar Jeanne-Marie zu mir zurückkehren.
In der Werkstatt, wo er und sein Team arbeiteten, führte Manuel Gaeta Kris Cardenas um seinen EVA-Anzug herum.
Von Helmholtz und seine vier Techniker standen an den Bänken, die zwei Wände des Raums säumten; sie beobachteten, wie ihr Chef und die Nanotech-Expertin langsam um den schweren und klobigen Anzug herumgingen und ihn inspizierten, als handele es sich um eine neue Garderobe für Frankensteins Monster.
Sie war mit einem Köfferchen im Labor erschienen, das sie neben der Tür auf den Boden gestellt hatte, als Gaeta zu ihrer Begrüßung erschienen war. Die Techniker hielten sich davon fern.
Nun schauten sie und Gaeta zum Anzug auf, dessen Kopf-und Schulterpartie sie überragte. Sie glänzte im Licht der Deckenbeleuchtung.
»Was für ein Ungetüm«, murmelte Cardenas. Mit dem Helm und den Gelenk-Armen erinnerte der Anzug sie an eine mittelalterliche Ritterrüstung.
»Er muss so groß sein«, sagte Gaeta, während sie langsam um den Anzug herumgingen. »Steckt nämlich viel Ausrüstung drin.«
»Vielleicht auch noch Platz für eine Bar«, witzelte sie.
»Nee«, erwiderte Gaeta mit einem verschmitzten Grinsen.
»Es ist nur so viel Platz, dass ich mich reinquetschen kann. Der Rest ist ausgefüllt mit Sensoren, Kameras, VR-Transmittern, Servomotoren für die Bewegung der Arme und Beine, Strahlenschutz, Lebenserhaltungs-Systemen…«
»Systeme?
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