Planeten 05 - Saturn
stellte schon das spartanische Mittagessen auf den Tisch. »Ich muss mit Ihnen sprechen.«
»Worüber?«, fragte Timoschenko. Jaansen war einer der Chefs und stand ein paar Sprossen über ihm auf der Leiter.
»Politik«, sagte Jaansen, zog einen Stuhl unterm Tisch hervor und setzte sich.
Mit einem Mal war Timoschenko der Appetit vergangen.
»Ich interessiere mich überhaupt nicht für Politik«, sagte er.
»Früher hatten Sie sich aber dafür interessiert. Sie waren sogar ein engagierter Aktivist.«
»Sie sehen ja, wohin mich das gebracht hat.«
Jaansen machte eine vage Handbewegung. »Aber hier ist es doch gar nicht so schlimm, oder? Wenn Sie schon ins Exil gehen müssen, dann ist dieser Ort besser als die meisten anderen.«
»Sind Sie auch ins Exil geschickt worden?«, fragte Timoschenko spontan.
»Nein, ich bin freiwillig hierher gekommen. Für mich ist das eine Gelegenheit, eine große Engineering-Operation zu leiten.«
»Den Chef zu markieren, meinen Sie wohl.«
»Sie könnten auch ein Chef sein«, sagte Jaansen. »Sogar der oberste Chef von allen.«
Timoschenko schaute ihn finster an.
»Ich meine das wirklich so, Ilja. Sie könnten sich für das Amt des Verwaltungschefs bewerben, sobald die neue Verfassung in Kraft getreten ist.«
»Sie machen wohl Witze.«
»Das ist mein voller Ernst. Sie könnten kandidieren, und Sie hätten gute Aussichten auf den Sieg. Alle Ingenieure und Techniker würden für Sie stimmen. Das ist ein großer Stimmenblock.«
»Und weshalb sollten sie wohl für mich stimmen?«
»Weil Sie einer von uns sind. Alle kennen und respektieren Sie.«
Timoschenko grunzte verächtlich. »Ich habe kaum Freunde.
Es kennt mich auch kaum jemand, und diejenigen, die mich kennen, mögen mich nicht besonders. Und ich kann es ihnen nicht einmal verdenken.«
Jaansen ließ aber nicht locker. Er zog den Palmtop aus der Tasche seiner Kutte und gab Zahlen ein, während er sprach.
»Politik ist im Grunde nichts anderes als Arithmetik«, sagte er und tippte fleißig Zahlen ein. »Sie werden von Ihren Kollegen viel mehr respektiert, als Sie glauben. Sie werden eher für sie als für Urbain stimmen, und…«
»Urbain? Er bewirbt sich um ein öffentliches Amt?«
»Natürlich. Er ist schließlich Leiter der Wissenschafts-Abteilung, nicht wahr? Die Wissenschaftler glauben, dass ihnen dieses Habitat gehöre. Sie glauben, wir alle müssten ihnen zu Diensten sein. Natürlich wird er kandidieren. Und er wird auch gewinnen, sofern es Ihnen nicht gelingt, die Ingenieure und Techniker hinter sich zu versammeln.«
Timoschenko schüttelte den Kopf. »Ich interessiere mich nicht für Politik«, wiederholte er. Aber er blieb trotzdem sitzen, hörte Jaansen zu und schaute zu, wie er die Zahlen in den Palmtop tippte.
Eine halbe Stunde später, auf der anderen Seite der vollen und lauten Cafeteria, schickte Edouard Urbain sich an, die Mahlzeit zu beenden und ins Büro zurückzugehen. Die kalte Kartoffelsuppe war ein fader Aufguss einer Vichyssoise. Er hatte keine anständige Mahlzeit mehr genossen, seit er Montreal verlassen hatte. Wilmot hat natürlich kein Gespür für eine gute Küche. Wenn ich erst einmal Verwaltungschef bin, werde ich schon dafür sorgen, dass die Köche ihr Handwerk erlernen.
Es gab tausend Dinge zu tun: Der Bau des Rovers war ins Stocken geraten, der Jupiter-Swingby stand kurz bevor, und dieser Eberly wollte eine Verfassung für das Habitat ausarbeiten und sich selbst zum Verwaltungschef aufschwingen.
Unmöglich!, sagte Urbain sich, während er die fade Suppe löffelte. Dies ist eine wissenschaftliche Mission, und dieses Habitat dient einzig und allein der Wissenschaft. Folglich muss ein Wissenschaftler den Regierungschef stellen.
»Sind Sie auch schon so aufgeregt wie ich?«
Urbain schreckte auf. Er schaute hoch und sah, wie der Chefingenieur, der Norweger Jaansen, ihn freundlich anlächelte. Widerwillig bedeute Urbain ihm, auf dem leeren Stuhl an der anderen Seite des Tisches Platz zu nehmen.
»Aufgeregt?«, fragte er, als Jaansen den angebotenen Stuhl nahm.
»Wegen des Jupiter-Swingby.«
»Ach so. Ja, ich glaube schon«, murmelte Urbain, während er den Rest der Suppe löffelte. Dann bemerkte er, dass Jaansen kein Essen auf dem Tisch stehen hatte. »Essen Sie denn nicht zu Mittag?«
»Ich habe schon gegessen«, sagte der Ingenieur. »Ich wollte gerade gehen, als ich Sie allein hier sitzen sah.«
Urbain hätte es eigentlich vorgezogen, allein zu essen. Aber er sagte nichts
Weitere Kostenlose Bücher