Planetenwanderer: Roman (German Edition)
Prognosen sind bisher die schlimmsten.«
»In der Tat?«, sagte Tuf. »Wenn ich mich recht erinnere, war S’uthlam ungefähr einhundertundneun Standardjahre von einer den gesamten Planeten betreffenden Massenhungersnot und dem gesellschaftlichen Zusammenbruch entfernt, vorausgesetzt, dass meine Empfehlungen und Vorschläge entsprechend umgesetzt werden.«
»Wir haben es versucht, verdammt! Wir haben es wirklich versucht. Die Fleischtiere, die Kapseln, die Ororos, der Neptunsschal – alles so, wie es sein soll. Aber die Erfolge waren nur partiell. Zu viele mächtige Leute waren nicht willens, ihre geliebten Luxuslebensmittel aufzugeben, also gibt es immer noch große Teile Weideland für die Herden der ursprünglichen Fleischlieferanten, ganze Farmen mit Neogras und Omni-Korn und Nanoweizen – und so weiter. Die Bevölkerungskurve steigt inzwischen weiter an, sogar noch schneller als zuvor, und die verflixte Kirche der Lebensentfaltung predigt die Heiligkeit des Lebens und die goldene Rolle der Reproduktion in der Evolution der Menschheit zu Transzendenz und Göttlichkeit.«
»Wie lauten die gegenwärtigen Prognosen?«, fragte Tuf frei heraus.
»Zwölf Jahre«, antwortete Tolly Mune.
Tuf hob einen Finger. »Um Ihre Lage zu dramatisieren, sollten Sie vielleicht Kommandant Wald Ober Gesellschaft leisten und die verbleibende Zeit über die Videonetze herunterzählen. Dies würde eine gewisse Dringlichkeit vermitteln, die die S’uthlamesen vielleicht dazu inspiriert, ihre Lebensweise zu ändern.«
Tolly Mune zuckte zusammen. »Ersparen Sie mir Ihre Ironie, Tuf. Ich bin jetzt Erste Ratsherrin, verdammt noch mal, und ich starre geradewegs in das picklige, hässliche Gesicht einer Katastrophe. Der Krieg und die Lebensmittelrationierung sind nur ein Teil davon. Sie können sich nicht vorstellen, welchen Problemen ich gegenüberstehe.«
»Vielleicht nicht bis ins kleinste Detail«, sagte Tuf, »aber die groben Umrisse lassen sich leicht ausmachen. Ich behaupte nicht, allwissend zu sein, aber jeder halbwegs intelligente Mensch kann bestimmte Fakten erkennen und daraus gewisse Rückschlüsse ziehen. Vielleicht sind diese Folgerungen falsch. Ohne Dax kann ich die Wahrheit nicht überprüfen. Zumindest glaube ich das irgendwie nicht.«
»Was für verflixte Fakten? Was für Rückschlüsse?«
»Erstens«, sagte Tuf, »befindet sich S’uthlam im Krieg mit Vandeen und dessen Verbündeten. Ergo kann ich schlussfolgern, dass die technokratische Fraktion, die einst die s’uthlamesische Politik bestimmte, die Macht an ihre Rivalen, die Expansionisten, verloren hat.«
»Nicht ganz«, sagte Tolly Mune, »aber Sie sind auf dem richtigen Weg. Seit Ihrer Abreise haben die Expansionisten bei jeder Wahl Sitze dazugewonnen, aber wir haben sie mit einer Reihe von Koalitionsregierungen in Schach halten können. Die Verbündeten haben vor Jahren klargemacht, dass eine Expansionistenregierung Krieg bedeutet. Zur Hölle noch mal, wir haben zwar immer noch keine Expansionistenregierung, aber den verdammten Krieg haben wir trotzdem.« Sie schüttelte den Kopf. »In den letzten fünf Jahren hatten wir neun Erste Ratsherren. Zurzeit bin ich es, aber ich bin hoffentlich nicht die letzte.«
»Die Dringlichkeit Ihrer letzten Voraussage lässt vermuten, dass der Krieg bisher noch keinen Einfluss auf Ihre Bevölkerungsstärke hatte«, sagte Tuf.
»Dem Leben sei Dank, nein«, entgegnete Tolly Mune. »Wir waren vorbereitet, als die Kriegsflotte der Verbündeten eintraf. Neue Schiffe, neue Waffensysteme, alles im Geheimen entwickelt. Als die Alliierten sahen, was sie erwartete, traten sie ohne einen Schuss den Rückzug an. Aber sie kommen wieder, verdammt. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wir haben Berichte erhalten, dass sie sich auf einen großen Schlag vorbereiten.«
»Aus Ihrer generellen Einstellung und einer gewissen Verzweiflung Ihrerseits kann ich schließen, dass sich auch die Bedingungen auf S’uthlam selbst rapide verschlechtern«, sagte Tuf.
»Woher zur Hölle wissen Sie das?«
»Das ist doch offensichtlich«, sagte Tuf. »Ihre Berechnungen mögen in der Tat ergeben, dass es in etwa zwölf Jahren zu einer Hungersnot und dem totalen Zusammenbruch kommen wird, aber ich glaube kaum, dass das Leben auf S’uthlam angenehm und friedlich bleiben wird, bis irgendwann eine Glocke läutet und Ihre Welt in Stücke bricht. Eine derartige Vorstellung ist absurd. Da Sie nun so nahe am Abgrund stehen, ist es nur zu erwarten, dass viele der
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