Planetenwanderer: Roman (German Edition)
einen großen räumlich begrenzten Krieg. Die Suthies haben überall Kolonien gegründet und sich jedes Stückchen Land gegriffen, das sie bekommen konnten. Auch wenn dort zufällig jemand anders lebte, waren die Suthies einfach ruck, zuck in der Überzahl. Wir haben dem schließlich ein Ende bereitet.«
»Wir?«, fragte Haviland Tuf.
»Offiziell Vandeen, Skyrmir, Henrys Welt und Jazbo, aber wir hatten Hilfe von vielen Neutralen, müssen Sie wissen. Der Friedensvertrag beschränkte die S’uthlamesen auf ihr eigenes Sonnensystem. Aber wenn Sie ihnen Ihr Höllenschiff geben, könnten sie vielleicht wieder ausbrechen.«
»Ich war der Meinung, die S’uthlamesen seien überaus ehrbare und moralische Leute.«
Ratch Norren kniff sich wieder in die Wange. »Ehrbar, moralisch, sicher, sicher. Leute, mit denen man wunderbar Handel treiben kann, und die Mädels kennen ein paar heiße erotische Tricks. Ich sage Ihnen, ich habe hundert Suthie-Freunde, und ich liebe jeden Einzelnen von ihnen. Aber allein die haben inzwischen schon ungefähr tausend Kinder. Diese Leute vermehren sich in rasendem Tempo, das ist das Problem, Tuf, hören Sie auf Ratch. Das sind alles Lebensjünger, wissen Sie.«
»In der Tat?«, sagte Haviland Tuf. »Und was, wenn ich fragen darf, ist ein Lebensjünger?«
»Lebensjünger«, wiederholte Norren ungeduldig. »Anti-Entropisten, Kinder-Kultler, Helix-Rammler, Genpool-Planscher. Religiöse Fanatiker, Tuffy, religiöse Irre.« Er wäre noch fortgefahren, aber in diesem Moment kam der Steward mit seinem Getränkewagen den Gang herunter. Norren zog sich auf seinen Sitz zurück, und Haviland Tuf hob einen langen, blassen Finger, um die Aufmerksamkeit des Stewards auf sich zu lenken. »Ich möchte noch eine Blase, wenn Sie so freundlich wären«, sagte er. Den Rest der Reise hockte er still auf seinem Sitz und saugte nachdenklich an seinem Bier.
Tolly Mune schwebte im Durcheinander ihres Zimmers, trank und dachte nach. Eine Wand bildete einen riesigen Videoschirm, sechs Meter lang und drei Meter hoch. Üblicherweise programmierte Tolly ihn so, dass er Landschaftspanoramen zeigte. Ihr gefiel es, ein Fenster zu haben, das eine Aussicht auf die hohen, kühlen Berge von Skyrmir bot oder auf die trockenen Canyons von Vandeen mit ihren gewundenen Wildwasserflüssen oder die endlosen Lichter von S’uthlam selbst, die sich über die Nacht verteilten, der glänzende Silberturm, der die Basis des Fahrstuhls bildete und der höher und höher und höher in den dunklen und mondlosen Himmel stieg und sogar die vier Kilometer hohen Turmhäuser der Sternenklasse deutlich überragte.
Aber heute Nacht hatte sie eine Sternenlandschaft auf der Wand ausgebreitet, und dagegen hob sich grimmig, metallisch und erhaben das riesige Raumschiff namens Arche ab. Selbst ein so großer Bildschirm wie der ihre – eines der Privilegien ihres Status als Hafenmeisterin – konnte die wahren Ausmaße des Schiffes nicht wiedergeben.
Und die Dinge, die es repräsentierte – die Hoffnungen, die Gefahren –, waren unvergleichlich größer als die Arche selbst, wie Tolly Mune genau wusste.
Sie hörte das Summen der Komm-Einheit. Der Computer hätte sie nicht gestört, wäre es nicht der Anruf gewesen, den sie erwartet hatte. »Ich nehme ihn entgegen«, sagte sie. Die Sterne verschwanden, die Arche verschwand, und der Videoschirm zeigte für einen Moment ineinander zerfließende Farben, die schließlich das Gesicht des Ersten Ratsherrn Josen Rael bildeten, des Führers der Mehrheit des Hohen Planetaren Rates.
»Hafenmeisterin Mune«, sagte er. In der unbarmherzigen Vergrößerung konnte sie die ganze Anspannung in seinem langen Nacken, die Verkniffenheit seiner dünnen Lippen, das harte Glitzern in seinen dunkelbraunen Augen erkennen. Sein runder, haarloser Schädel war gepudert, und trotzdem kam er ins Schwitzen.
»Ratsherr Rael«, entgegnete sie. »Es freut mich, dass Sie anrufen. Haben Sie den Bericht durchgesehen?«
»Ja. Ist die Leitung sicher?«
»Natürlich«, sagte sie. »Sprechen Sie offen.«
Er seufzte. Josen Rael war in der planetaren Politik seit einem Jahrzehnt eine Institution. Zuerst hatte er als Kriegsrat für Schlagzeilen gesorgt, später war er zum Landwirtschaftsrat aufgestiegen, und seit vier Standardjahren war er der Führer der größten Fraktion im Rat, der Technokraten, und entsprechend der mit Abstand mächtigste Mann auf S’uthlam. Die Macht hatte ihn alt, hart und müde werden lassen, und so wie heute
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