Planlos ins Glueck
wunderschöner Abend.
Sie bedachte das Handy mit einem mürrischen Blick.
Ich dachte, wir treffen uns bei mir.
Diesmal legte sie das Telefon gar nicht erst wieder hin. Sie starrte es einfach nur an und wartete ungeduldig auf die Antwort.
Nein danke. Gute Nacht.
„Du verdammter Scheißkerl“, fluchte sie leise und schmiss das Handy aufs Sofa. „Was für ein Mann sagt denn bitte Nein zu Sex?“
Jetzt blieb ihr nur noch eine Runde Boxtraining, um Dampf abzulassen. Nur dass sie mittlerweile sogar beim Boxen an Chase denken musste. Aber wenigstens konnte sie sich dabei vorstellen, dass sie ihm die Nase blutig schlug.
Der bloße Gedanke weckte Schuldgefühle, die Schuldgefühle erinnerten sie an ihre Mom, und der Gedanke an ihre Mom erinnerte sie an Jessie.
Was ihre Mom betraf, hatte sie den ersten Schritt gewagt. Mit Chase war alles vorbei. Aber was war mit Jessie? Sie warf einen Blick auf die Uhr.
Da ihr Ruf jetzt schon so gut wie ruiniert war, hatte sie sich geschworen, nie wieder einen Fuß in ein Gefängnis zu setzen. Denn wenn irgendjemand sie dort sah, würde der spannenden Geschichte um die wahre Identität der Jane Morgan ein weiteres pikantes Detail hinzugefügt werden. Dann würde sich Mitch erinnern, dass er sie vor der Polizeiwache gesehen hatte. Und alle würden sich fragen, was sie im Gefängnis gewollt hatte. Ob sie vielleicht in die Fußstapfen ihrer Mutter trat.
Sie konnte ihren Bruder einfach nicht besuchen.
Andererseits hatte sie sich auch geschworen, eine bessere Schwester zu werden. Ein besserer Mensch.
Ihre Beziehung zu Chase war definitiv vorbei, aber ihren Bruder konnte sie nicht einfach so wegschieben. Nicht, wenn sie ihm helfen wollte.
Jane schnappte sich ihre Schlüssel und hastete nach draußen, ehe ihre Feigheit sie aufhalten konnte.
Als sie eine halbe Stunde später Jessie gegenübersaß, fiel ein Teil ihrer Anspannung von ihr ab. Er sah tatsächlich gut aus.
„Hey, Schwesterherz“, sagte er in den verbeulten Hörer auf der anderen Seite der Plexiglasscheibe. „Hätt nich gedacht, dich hier zu sehen.“
„Ich wollte mal hören, wie es dir geht.“
Er zuckte die Achseln. „Ganz okay eigentlich. Na ja, also dafür, dass ich im Knast sitze.“
„Klar.“
„Danke für den Brief.“
„Gern“, erwiderte sie. Plötzlich wusste sie nicht mehr, worüber sie eigentlich mit Jessie sprechen wollte. „Brauchst du irgendetwas?“
„Mom hat mir Kippen mitgebracht. Ein paar Bücher wären toll. Früher hab ich doch immer diese Sci-Fi-Dinger gelesen, weißt du noch?“
Ja, plötzlich konnte sie sich erinnern. Er war dreizehn gewesen und hatte wieder mal gefragt, ob er bei ihr übernachten dürfte. Und wie immer hatte sie Nein gesagt. Da hatte Jessie eins von diesen Büchern gegen die Wand geschleudert, ehe er seine Zimmertür hinter sich zugeknallt hatte.
Jane nickte. „Ich hör mich mal um, was man derzeit so liest.“ „Cool, danke.“
Danach schwiegen sie sich eine Weile an. Sie hatten nicht viel Zeit miteinander, aber Jane wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Es tut mir leid, dass ich dich immer abgewimmelt habe?
„Hey!“, sagte Jessie plötzlich, und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Ich hab gehört, dass sie endlich jemanden festgenommen haben. Wegen der Morde.“
„Ja, das stimmt“, sagte Jane.
„Mann, ich bin echt derbe erleichtert. Das is super!“ „Ja, das ist es wohl.“
„Findest du nich?“
Jane sah ihn an, sah in diese großen blauen Augen, die er schon als kleiner Junge gehabt hatte. Sie wollte ihn nicht verletzen. Aber sie wollte ihn auch nicht mehr wie ein Kind behandeln. Nicht jetzt, wo er endlich die Chance hatte, zu einem Mann zu werden.
Sie straffte die Schultern. „Der Täter ist Schlosser. Alle drei Frauen haben ihn nach den Handtaschendiebstählen beauftragt, bei ihnen zu Hause die Schlösser auszutauschen.“
Jessie nickte.
„Er hat sich Kopien von den Schlüsseln angefertigt“, sagte Jane.
„Echt fies, Mann.“
Er kapierte es einfach nicht. Jane atmete tief durch und sagte so deutlich sie konnte: „Jessie, wenn du Michelle Browns Handtasche nicht gestohlen hättest, wäre sie wahrscheinlich noch am Leben.“
Jessie entgleisten die Gesichtszüge. „Aber … aber das wollte ich doch nich“, flüsterte er geschockt.
„Ich weiß. Da draußen ist ein Mörder herumgelaufen, und dafür kannst du nichts. Aber deine Handlungen hatten Konsequenzen, Jessie. Es geht doch schon damit los, dass du das Leben eines
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