Planlos ins Glueck
Mittagspause machen. So würde sie Chase garantiert nicht wieder über den Weg laufen. Und es war besser, wenn sie ihn nicht wiedersah.
Denn der Anblick dieses gottverdammten Tattoos würde ihrer Entschlossenheit früher oder später den Garaus machen.
24. KAPITEL
M om?“ Jane öffnete die Zwischentür und spähte ins Haus ihrer Eltern. „Dad?“ „Wir sind hier, Süße!“ Ihre Mom kam mit klickernden Absätzen über das Parkett getrippelt. Abgesehen von den schwarzen Stilettos war ihre Kleidung heute erstaunlich zurückhaltend. Den hochgeschlossenen blauen Pulli hatte sie wahrscheinlich nur Jane zuliebe angezogen.
„Die Pizza müsste in ein paar Minuten da sein.“ Sie umarmte Jane nur kurz. Es wirkte fast so, als hätte sie Angst, dass sich ihre Tochter in Luft auflösen würde, wenn sie zu fest zudrückte. „Wir waren den ganzen Tag im Wohnzimmer und haben alte Fotos sortiert. Ich dachte, ich lege mal ein paar Alben an.“
Jane folgte ihrer Mom durch die Küche ins Wohnzimmer. Sie musste daran denken, wie aufgeregt ihre Mutter und sie gewesen waren, als Mac verkündet hatte, dass er das Haus kaufen würde. Ein Wohnzimmer. Ein Kamin. Damals war es ihnen vorgekommen, als würde ein Traum wahr werden. Jane war neun gewesen, und sie hatte gedacht, dass jetzt endlich alles gut werden würde. Sie hatte sich sogar vorgestellt, dass ihr richtiger Dad nach Colorado ziehen würde, wenn er entlassen wurde, und dass dann alle Menschen, die sie liebte, bei ihr wären. Ihre Mom, ihr Stiefvater, ihr kleiner Bruder und ihr richtiger Dad. Wenn ich rauskomme, fahre ich als Erstes mit dir nach Disneyland, meine Kleine.
Sie hatte noch lebhaft in Erinnerung, wie sie eine Disneybroschüre angefordert und monatelang unter ihrem Kopfkissen versteckt hatte.
Es war wirklich unfair gewesen, Chase als Scheißkerl zu bezeichnen. Schließlich wusste niemand besser als Jane, wie sich echte Scheißkerle verhielten.
Als sie ihrer Mom ins Wohnzimmer folgte, war sie so in Gedanken versunken, dass es einen Augenblick dauerte, bis sie begriff, dass ihre Mom mit „Wir“ gar nicht Mac, sondern Grandma Olive gemeint hatte. Himmelherrgott.
„Da sieh mal einer an, wer uns mit seiner Anwesenheit beehrt“, sagte Olive spitz.
„Grandma Olive“, seufzte Jane.
„Wo ist dein großer Kerl abgeblieben?“
„Chase ist nur ein Bekannter.“
„Pffff. Kerle wie der, die führen sogar mich noch in Versuchung. Und du bist ja wohl die Letzte, die einen knackigen Mann von der Bettkante stößt.“
„Grandma“, fuhr Janes Mom streng dazwischen, „das reicht.“
Die alte Dame schniefte pikiert. „Ich sag doch nur die Wahrheit.“
Jane war diese Art von Kommentaren seit Jahren gewohnt, also biss sie sich auf die Zunge und ließ sich in einen Sessel fallen.
Ihre Mom warf ihr einen besorgten Blick zu. „Geht es dir gut? Hat dein Exfreund dich nach dem Einbruch in Ruhe gelassen?“
„Ja, er ist zu seinen Eltern nach Fort Collins gefahren. Und ich glaube auch nicht, dass er je wiederkommt.“
„Gut“, sagte ihre Mom und reichte ihr ein dickes Fotoalbum. „Hier, Süße, schau mal. Da sind fast nur Bilder von dir drin.“
Erleichtert, sich nicht länger über Greg oder Chase unterhalten zu müssen, schlug Jane das Album auf. Auf den ersten Seiten waren viele Bilder, die Jane mit Jessie zeigten, als er noch ein Baby war. Sie musste lächeln. Gott, er war einfach unglaublich süß gewesen. Kein Wunder, dass er ihre Mom immer wieder um den Finger gewickelt hatte.
Doch je weiter sie blätterte, desto häufiger war nur sie selbst zu sehen: grinsend und klapperdürr, im Sommer mit sonnengebleichten Haaren, im Winter mit einer Kollektion von knallbunten Wollmützen, auf denen dicke Puschel prangten. Die Mützen hatte sie ganz vergessen. Als sie nach Colorado gezogen waren, hatte ihre Mutter ihre Leidenschaft fürs Stricken entdeckt, und Jane war die Hauptabnehmerin ihrer Kunstwerke gewesen.
„Strickst du eigentlich noch, Mom?“
„Gott, nein, das muss Jahre her sein!“
„Dann solltest du wieder anfangen. Du hast immer so glücklichausgesehen, wenn du mit deinem Garnknäuel vor dem Fernseher gesessen hast.“
„Oh, jetzt bin ich die ganze Zeit mit Twitter beschäftigt. Ohne meine Twitterfreunde kapiere ich die Handlung von Lost nämlich nicht. Und ich habe ja auch gar keinen Grund mehr zum Stricken. Ihr Kinder scheint ja nicht vorzuhaben, mich in absehbarer Zeit mit Enkeln zu beschenken.“
Olive meldete sich wieder zu Wort.
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