Planlos ins Glueck
wirkte eher wütend als verletzt. Aber das spielte sowieso keine Rolle mehr. Sie konnte einfach nicht mit einem Mann zusammenbleiben, zu dem sie sich körperlich nicht hingezogen fühlte. „Leb wohl!“
Sie wartete auf eine Antwort, doch es kam keine. Also machte sie auf dem Absatz kehrt und ging auf die Tür zu. Ihre Füße wollten rennen, doch das kam nicht infrage. Hinter sich glaubte sie einen leisen Fluch zu hören – irgendetwas wie „frigides Miststück“ -, aber sie reagierte nicht darauf. Im Laufe ihres Lebens hatte sie sich schon viel schlimmere Beschimpfungen anhören müssen. Und wenn Greg gerade wirklich gesagt hatte, was sie vermutete, dann konnte sie sowieso froh sein, ihn los zu sein.
Jane trat auf die Straße hinaus und atmete tief durch.
Frei.
Die Anspannung fiel von ihr ab, als hätte sie gerade eine Fessel durchtrennt. Allmählich zeichnete sich in dieser Hinsicht ein Muster in ihrem Leben ab. Der Gedanke ließ sie kurz innehalten, doch dann machte sie sich auf den Weg zurück zur Arbeit. Es war nur eine halbe Meile, und Jane fühlte sich total energiegeladen.
Noch ein paar Stunden im Büro, dann erwartete sie ein ganzer Abend, den sie nur für sich hatte. Kein Sex mit Greg. Keine intellektuellen Gespräche über Opern, ausländisches Experimentalkino und Verfassungsrecht oder Gregs anderweitige Versuche, Janes Bildung oberschichtengerecht aufzupolieren. Nach der Arbeit würde sie nach Hause gehen, ein Bad nehmen und später einen Schundfilm im Pay-TV anschauen. Einen Horrorstreifen vielleicht. So viele schöne Sachen, und danach konnte sie trotzdem noch früh ins Bett gehen, um morgen ausgeschlafen und gut gelaunt auf der Arbeit zu erscheinen.
Wow, Sie war tatsächlich frei.
Sie versuchte, das Gefühl der Erleichterung zu unterdrücken, das in ihr aufstieg. Am Sonntag wurde sie neunundzwanzig. Das letzte Jahr mit einer Zwei vorne dran. In dreihundertacht- undsechzig Tagen war ihr dreißigster Geburtstag. Irgendwann wollte sie heiraten, vielleicht auch Kinder bekommen. Und wenn sie die richtige Art von Mann heiraten wollte, dann musste sie langsam aufhören, ihre Beziehungen aus oberflächlichen Gründen zu beenden.
Man brauchte ja nicht zwangsläufig guten Sex, um glücklich zu sein. Genauso wenig wie man unbedingt einen muskulösen Mann haben musste. Einen harten Kerl in Jeans und Stiefeln. Einen Mann, der seine schwielige Hand in ihrem Haar vergrub und ihr ganz genau sagte, was er gleich mit ihr …
„Mist!“ Jane schüttelte den Kopf. Solche Gedanken wollte sie gar nicht erst zulassen. So ein Mädchen war sie nicht mehr. Und würde es auch nie wieder sein. Eins von diesen Mädchen ohne Selbstachtung, die kaum mehr etwas vom Leben erwarteten.
Nein, jetzt war Jane Morgan eine anständige Frau, und sie würde einen ebenso anständigen Mann heiraten. Natürlich hattesie noch ein paar Jahre Zeit, ihn zu finden. Aber dauerte es nicht auch eine Weile, jemanden wirklich kennenzulernen? Sie musste so schnell wie möglich die Langeweile in den Griff bekommen, die sie jedes Mal befiel, wenn sie mit gesetzten Männern zusammen war.
Trotz des strengen Vortrags, den sie sich selbst in Gedanken hielt, hatte Jane ein breites Grinsen im Gesicht, als sie vor dem Büro ankam. Doch sobald sie die Türschwelle überschritten hatte, setzte sie wieder ihre seriöse Sekretärinnenmiene auf und machte sich an die Arbeit. Eine halbe Stunde später nahm alles seinen gewohnten Gang: ein superruhiger Job in einem superruhigen Büro – jedenfalls bis ihr Handy klingelte und sie die Nummer ihrer Mutter auf dem Display erkannte.
„Oh nein“, stöhnte Jane. Sie atmete einmal tief durch, ehe sie sich traute dranzugehen.
„Liebes“, flötete ihre Mutter umgehend. „Bitte sag, dass du was von deinem Bruder gehört hast.“
„Jessie? Nein, wieso? Was ist mit ihm?“, fragte sie beunruhigt.
„Er ist gestern Nacht nicht nach Hause gekommen.“
Janes Herz machte einen Satz – allerdings nicht aus Panik, sondern aus Ungläubigkeit. „Und deswegen rufst du mich an?“
„Er ist gestern um sechs gegangen, und seitdem war er nicht mehr hier und hat auch nicht angerufen. Und ich habe keine Ahnung, was ich machen soll!“
„Mom …“ Jane zwang sich, tief durchzuatmen, und zählte in Gedanken bis zehn. „Mom, das ist albern.“
„Aber ich … oh, Liebes, ich bin mir sicher, dass dein kleiner Bruder in Schwierigkeiten steckt!“
„Ganz bestimmt sogar“, erwiderte Jane. „Nur dass ich keinen
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