Planlos ins Glueck
drücken, also machen Sie sich keine Sorgen. Im Augenblick geht es Ihrem Bruder gut, und er ist über alles, was wir tun, im Bilde.“
Jane dankte ihr und legte auf.
Dreißigtausend. Das konnte sie sich unmöglich leisten. Wenn Jessie sie im Stich ließ, würde sie ihre Wohnung verlieren. Doch dann musste sie an den dreizehnjährigen Jessie von früher denken, der sie so oft angerufen und gefragt hatte, ob er am Wochenende zu ihr kommen dürfe. Meistens hatte sie ihn abgewimmelt. Was, wenn sie damals für ihn da gewesen wäre? Was, wenn sie ihn unter ihre Fittiche genommen hätte, anstatt ihre gesamte Energie darauf zu verwenden, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen? Was, wenn sie ein bisschen mehr an Jessie und ein bisschen weniger an sich selbst gedacht hätte?
Sie schwor sich, ihre Finanzen durchzugehen, sobald sie wieder zu Hause war, und machte sich endlich an die Arbeit. Während sie E-Mails beantwortete, Blaupausen verschickte und eine ganze Flut von automatischen Terminerinnerungen einrichtete, die Mr Jennings vor dem Schlimmsten bewahren sollten, kam sie innerlich wieder zur Ruhe.
Ich kann das schaffen, versicherte sie sich selbst. Es ist möglich.
Als Mr Jennings zwei Stunden später zurückkam, schenkte er ihr nicht mehr als ein halbherziges Lächeln. Jane stand auf. Am liebsten hätte sie ihn sehr lange und sehr fest umarmt, aber sie hielt sich zurück. „Mr Jennings, es tut mir leid.“
„Nein, ich bin es, der sich entschuldigen muss. Ich hätte Sie wirklich nicht so in die Enge treiben sollen.“
„Ich …“ Sie dachte daran, wie er versucht hatte, ihr zu helfen. Wie Lori versucht hatte, ihr zu helfen. Daran, wie sie alle auf Distanz hielt. Weil es nicht sein konnte, dass irgendjemand die wahre Jane mochte. Weil nur die Frau, die sie zu sein vorgab, wirklich liebenswert war. „Mr Jennings, ich … ich betrachte Sie als Freund.“
Sein schüchternes Lächeln verwandelte sich in ein breites Grinsen. „Das freut mich sehr.“
„Aber ich …“ Sie schüttelte den Kopf und rang die Hände. „Ich bin einfach nicht sonderlich gut in solchen Dingen. Im Augenblick habe ich eine Menge familiäre Probleme, das ist alles. Ich will nicht, dass Sie sich Sorgen um mich machen. Mir geht es gut.“
„In Ordnung, schön zu hören.“
„Und ich weiß, dass ich mich auf Lori und Sie verlassen kann, wenn ich Hilfe brauche. Das bedeutet mir sehr viel. Danke.“
Ehe sie protestieren konnte, stand Mr Jennings direkt vor ihr und umarmte sie fest. „Sie sind wie eine Schwester für mich, Jane. Sie sind mir wichtig.“
Die Angst traf sie wie ein Faustschlag. Nicht, weil sie sich von ihm belästigt fühlte, sondern gerade, weil sie es nicht tat. Sie spürte, dass er sie aufrichtig respektierte. Er mochte die Frau, als die sie sich gab. Und irgendwo tief in ihrem Inneren tat dieser Gedanke fürchterlich weh.
Wenn er ihr wahres Ich gekannt hätte – dieses rotzfreche, zornige junge Mädchen, das in wechselnden Wohnwagensiedlungen groß geworden war -, wäre er sich seiner Meinung bestimmt nicht mehr ganz so sicher gewesen. Und Lori hätte bestimmt nicht gewollt, dass sich so eine Person in der Nähe ihres Freundes herumtrieb. Geschweige denn in seinen Armen.
„Und eines Tages werden Sie ja vielleicht sogar endlich anfangen, mich Quinn zu nennen“, sagte Mr Jennings, an dem ihr innerer Aufruhr vollkommen vorbeizugehen schien. „Das ist nämlich mein Vorname, wissen Sie?“
Sie nickte und erstarrte in seiner Umarmung, bis er sie losließ. „Vielleicht. Aber nicht im Büro.“
„Oh Gott, nein“, keuchte er in gespieltem Entsetzen. „Natürlich nicht!“
Sie musste sich zwingen, nicht zu lachen, was ihr aber nur ansatzweise gelang.
„Sie brauchen noch ein paar freie Tage, oder? Sie sollten gar nicht hier sein.“
„Nein, ich schaffe das schon. Keine Sorge.“
„Jane, ich mache mir keine Sorgen um das Büro. Und wenn ich mich recht erinnere, waren Sie nur ein einziges Mal krank, seit Sie hier arbeiten. Sie haben es sich verdient, nehmen Sie sich frei.“
Sie wusste, dass er nur nett sein wollte. Und sie wusste, dass sie ein paar freie Tage wirklich gut gebrauchen konnte – und sei es nur, um zu verhindern, dass sie wahnsinnig wurde. Aber etwas in ihr konnte und wollte einfach nicht loslassen. Du kannst das schaffen, flüsterte dieses Etwas. Du brauchst keine Pause. Du brauchst keine Hilfe.
Sie bohrte die Fingernägel in ihre schweißnassen Handflächen. Natürlich konnte sie es ohne
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