Planlos ins Glueck
und wischte sich trotzig die Tränen weg. Die Geste erinnerte Jane an den kleinen Jessie, den sie getröstet hatte, wenn er sich das Knie aufgeschlagen hatte.
Vielleicht würde er sich wirklich ändern, wenn er noch mal um die sechs Jahre Knast herumkam. Jane war das schließlichauch gelungen. Ein wirklich schreckliches Wochenende hatte ihr ganzes Leben verändert.
Vielleicht hatte Mac ja recht. Jessie hatte geklaut und Drogen genommen und mit Dealern abgehangen. Vielleicht waren ein paar Monate im Gefängnis genau der Tritt in den Hintern, den er brauchte, um endlich den richtigen Weg einzuschlagen.
Tränenüberströmt verließ Jane das Untersuchungsgefängnis. Entweder, Jessie wurde hier endlich zum Mann, oder er würde beschließen, niemals erwachsen zu werden. Leider hatte sie keinen Einfluss auf seine Entscheidung.
12. KAPITEL
M ittlerweile war es schon über einen Tag her, dass Chase und Jane sich das letzte Mal gesehen hatten. Und es kam ihm vor wie eine Ewigkeit.
Er konnte sich nicht vorstellen, dass gerade mal eine Woche vergangen war, seit er sie kennengelernt hatte. Und jetzt saß er da und konnte an kaum etwas anderes denken, als sie anzurufen. Sie zu sehen. Zu berühren.
Und zum ersten Mal seit Jahren hatte sein Vater etwas ganz Wunderbares für ihn getan: Er hatte Chase angerufen, um ihm Bescheid zu geben, dass Jessie MacKenzies Kaution auf dreißigtausend Dollar gesenkt worden war. Und damit hatte Chase einen Grund, Jane anzurufen.
Ohne zu atmen wählte er ihre Nummer. Ob sie wohl sauer war, weil er sie vorgestern einfach so zu Hause abgesetzt hatte? An dem Abend war er völlig durcheinander gewesen: besorgt, weil sie so erschöpft war; durcheinander wegen ihrer Vergangenheit; verletzt, dass sie ihn über ihre Identität belogen hatte, und stinksauer, dass sie ihn mit den „bösen Jungs“ in einen Topf geworfen hatte. Das Letzte, woran er gedacht hatte, war Sex gewesen.
Aber jetzt, wo ihr Handy schon so lange klingelte, dass sicher gleich die Mailbox anspringen würde, nagte das Bedauern mit kleinen spitzen Zähnen an ihm.
„Chase?“
Ihre Stimme erschreckte ihn so sehr, dass er im ersten Moment nicht antwortete.
„Hallo?“
„Jane! Hi. Tut mir leid, ich war … Wie geht es dir?“
„Oh, ganz gut! Ich habe nur … Nein, eigentlich ist alles in Ordnung. Ich mache mir nach wie vor Sorgen, aber es geht mir gut.“
„Du klingst auch gut.“ Das tat sie tatsächlich. Sie klang … vertraut. „Ich habe gehört, dass Jessies Kaution herabgesetzt worden ist. Das sind ja tolle Neuigkeiten!“
„Ja, und ich hoffe, das bedeutet, dass sie wegen des ermordeten Mädchens in eine andere Richtung weiterermitteln. Aber jetzt überlegt meine Mutter, die Kaution zu bezahlen, und … ach, ich weiß nicht.“ Jane versank in nachdenkliches Schweigen.
„Hör mal“, sagte Chase. „Ich würde dir gern einen Vorschlag machen.“
„Welchen denn?“
Er war sich fast sicher, dass ein Anflug von Interesse in ihrer Stimme mitgeschwungen hatte. Seine Freude darüber kam ihm irgendwie erbärmlich vor. „Ich hab heute eine Sprengung. Willst du dabei sein?“
„Du … was?“
„Ich sprenge heute. Und ich dachte, bei allem, was gerade los ist bei dir, könnte es dir guttun mitzukommen. Ich kenne kein besseres Mittel gegen Stress als eine ordentliche Explosion.“
„Ist das dein Ernst?“
„Mein voller. Eine Sprengung, Mann, kapierst du? Bumm!“, brüllte er enthusiastisch in den Hörer.
„Autsch! Ich glaube, das hat sogar der Haushalt nebenan mitbekommen.“
Chase musste zwar lachen, trotzdem klammerte er sich vor Nervosität an seiner Kaffeetasse fest. „Also, es soll heute früh um zehn losgehen. Wahrscheinlich musst du arbeiten, aber …“
Jane räusperte sich. „Nein, muss ich nicht. Mr Jennings hat mir ein paar Tage freigegeben. Aber bringst du dich damit nicht in Schwierigkeiten?“
„Wie meinst du das? Wegen der Vorschriften? Solange wir uns das aus sicherem Abstand angucken, ist die Versicherungsgesellschaft zufrieden.“
„Nein, ich meinte, mit deinem Boss.“
„Mein Boss?“ Er nahm die Füße vom Schreibtisch und setzte sich kerzengerade auf. „Wovon redest du? Ich bin der Boss.“
„Okay.“ Sie seufzte. „Was ist mit dem Geschäftsführer? Hat er sicher kein Problem damit, wenn du …“
„Du hältst mich echt für den letzten hirnlosen Muskelberg,oder?“ Er konnte tatsächlich hören, wie sie die Zähne aufeinanderbiss. Das Geräusch brachte ihn zum Lachen.
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