Plantage der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
leise verhielt, konnte er sie ansehen und sich wieder davonschleichen.
Léon runzelte Stirn. Das war keine Schildkröte. Das war ein Mensch! Eine Frau mit langen blonden Haaren. Enttäuscht blieb er stehen. Die Frau lag auf dem Bauch, das Gesicht abgewandt, und stöhnte leise. Es klang, als hätte sie Schmerzen. Vorsichtig näherte er sich ihr. Sie hatte die Augen geschlossen, an der Schläfe klebte Blut, und ihr Kleid hatte von der Schulter bis zur Taille einen Riss. Er sah ein cremefarbenes Mieder darunter hervorblitzen und schielte verlegen zur Seite. Was jetzt? Sie sah aus, als brauche sie Hilfe. Er konnte sie doch nicht hier liegen lassen. Ob er seinen Vater holen sollte? Aber vielleicht dauerte das zu lange, und er wusste ja auch gar nicht, wo dieser war. Und wenn er zurückkam und die Frau war weg? Ratlos musterte er das wehrlose Bündel vor ihm.
„Hallo?“, fragte er. „Hallo? Sie!“ Nichts. Ob sie tot war? Vorsichtig berührte er ihre Hüfte mit der Spitze seines Schuhes. Sie regte sich nicht. Er schob den Schuh fester in die weiche Rundung. Als noch immer nichts geschah, stieß er zu und prallte sogleich erschrocken zurück. Sie ächzte jämmerlich und zwinkerte unerwartet.
„Hallo?“, fragte er wieder und flüsterte jetzt. Er ging in die Knie und beugte sich über sie. Sie schlug die Augen auf. Léon wagte kein Wort mehr zu sagen.
„Wer bist denn du?“, murmelte sie.
„Léon Dupont, und du?“ Betreten merkte er, dass er sie geduzt hatte.
„Madeleine“, sagte die Frau und richtete sich mühsam auf. Ihr Hals und die Haut ihres Ausschnittes waren rot, wie aufgescheuert.
„Bist du krank?“, fragte er und setzte sich auf die Fersen.
„Das Schiff …“
Er sah, wie sich ihre Miene veränderte. Er wandte sich um und suchte mit den Blicken das Meer ab. Es lag völlig ruhig da, und nirgends war ein Schiff zu sehen.
„Welches?“
„Es ist … untergegangen!“ Ihre Augen weiteten sich und füllten sich mit Tränen. Léon fühlte, wie ihm bange wurde.
„Dein Schiff?“, fragte er scheu und hatte Angst, dass sie zu weinen anfing.
Madeleine senkte den Kopf auf die Knie und schluchzte verzweifelt. Hilflos sah Léon, wie ihre Schultern zitterten.
„Magst du mit zu uns kommen? Vielleicht kann dir mein Papa helfen“, schlug er vor, mangels besserem Einfall. Madeleine schniefte und wischte sich die Tränen ab.
„Wo wohnst du denn?“
„Da!“ Eifrig zeigte er mit dem Finger in die Richtung, aus welcher er gekommen war. „Es ist nicht weit. Ich zeig es dir, ja?“
Madeleine war es, als würde sie keinen Fuß vor den anderen bekommen. Ihre Haut brannte vom salzigen Wasser des Meeres, ihre Zunge war pelzig und trocken, sodass jedes Wort zur Qual wurde, und ihr Kopf schmerzte zum Zerspringen. Immer wieder kamen ihr die Tränen. Pascal und die Flying Devil und die ganze Mannschaft – vermutlich würde sie sie nie wiedersehen. Sie konnte sich kaum noch erinnern, wie sie an den Strand gekommen war. Die allerletzten Kräfte hatten sie vorwärts getrieben, immer wieder hatte sie sich auf dem Rücken treiben lassen müssen.
Nun schwankte sie wie betäubt hinter diesem kleinen Jungen her, der sie aus einem gnädigen Schlaf geholt hatte. Sie wollte das Kind fragen, auf welcher Insel sie sich befanden. Es konnte ja genauso gut Basse-Terre sein, welches unmittelbar neben Grande-Terre lag. Doch sie konnte nicht sprechen, schon allein deswegen nicht, weil sie vor Durst die Zunge nicht mehr bewegen mochte.
Der Weg wurde schmaler und mündete in einen Pfad, der sacht bergan stieg. Madeleines Beine zitterten, und sie musste sich am Stamm einer Palme abstützen.
„Schaffst du es nicht mehr?“, hörte sie den Kleinen besorgt fragen.
Sie riss sich zusammen. „Wenn es nicht mehr lange dauert, schaffe ich es noch“, versicherte sie und rang sich ein Lächeln ab.
„Wir können dort oben durch die Bäume, dann sind wir gleich da. Oder wir gehen außen rum, aber das dauert länger.“
„Dann nehmen wir den Weg durch die Bäume“, entschied Madeleine und löste die Hand von der Palme.
„Ich geh voraus, ja?“ Abwartend sah das Kind sie an.
Sie nickte und hatte spontan den Wunsch, dem Jungen über den Kopf zu streicheln. Er lief los und warf mehrfach einen Blick über die Schulter, ob sie nachkam.
„Da drüben steht mein Papa!“ Aufgeregt sprang Léon von einem Fuß auf den anderen. Madeleine blieb, trotz ihrer Erschöpfung überrascht und beeindruckt, stehen. Vor ihr erstreckte sich ein
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