Plantage der Lust: Erotischer Roman (German Edition)
blindlings entlanggerannt war? Und welche Markierung? Madeleine runzelte die Stirn. Sie grübelte, als hätte sie ernsthaft vor, zu der Zeremonie zu gehen. Ein sachter Schauder rieselte ihr über den Rücken. Warum eigentlich nicht? Was hatte sie schon zu verlieren? Und außerdem, warum sollte sie nicht einmal zusehen? Heimlich im Dunkeln, verborgen von Büschen? Die Vorstellung löste furchtsame Faszination aus.
Madeleine verließ ihre Unterkunft und trat in die Nacht hinaus. Dampfige Wärme hüllte sie ein und legte sich wie ein feuchtes Tuch auf Gesicht und Arme. Wenn sie den Weg nicht fand, würde sie umkehren. Sie wollte sich schließlich nicht schon wieder verlaufen.
Hinter dem Haus gab es nur einen Weg, und dieser war im schwachen Mondlicht recht gut erkennbar. Es war wie angenommen derjenige, den sie mittags zur Flucht genutzt hatte. Langsam ging sie voran, konzentrierte sich auf die Trommeln und suchte nach einer Markierung.
Was hatte Alizée gemeint? Sie fand keine Hinweise. Einer der vielen Baumstämme, die sie umgaben, war heller als die übrigen. Sie berührte die Rinde mit den Fingerspitzen und sah weißen Staub auf ihrer Haut. Puder? War der Stamm behandelt worden? Etwa fünfzig Schritte entfernt schimmerte der nächste Baum auffällig zwischen den anderen hervor. War dies das Zeichen oder lief sie erneut in die Irre?
Madeleine folgte den Hölzern. Sowie sie einen der gekennzeichneten Stämme erreicht hatte, entdeckte sie einen weiteren. Der Abstand von einem zum anderen war in etwa immer derselbe. Das Geräusch der Trommeln wurde lauter und schneller. Unter ihr begann die Erde zu vibrieren, als trampelte eine unbesiegbare Macht darauf herum. Klamme Furcht saß ihr im Nacken, und auf eigentümliche Weise zog es Madeleine in die Richtung, aus welcher die geheimnisvollen Klänge kamen. Sie meinte, das Knistern von Flammen zu hören, durchsetzt von gedämpften Stimmen. Rotorangefarbenes Licht glomm durch die dunklen Stämme. Sie roch schwelendes Holz und spürte glutartige Hitze, die auf sie zukam. Vorsichtig schlich sie näher, verbarg sich hinter dem verschlungen gewachsenen Holz eines hochbetagten Divi-Divi-Baumes und spähte hervor.
Sie erkannte die Lichtung sofort. Es war dieselbe, von welcher aus sie heute Nachmittag endlich den Weg zurück nach Beaupay gefunden hatte. Um ein hoch aufloderndes Feuer tanzten Schwarze und Weiße, wobei die Schwarzen eindeutig in der Überzahl waren. Sie stampften mit nackten Füßen, gingen in die Hocke dabei, um ihre Hälse wippten Ketten aus bunten Federn, Perlen und langen weißen Zacken, die Madeleine an die Fangzähne wilder Tiere erinnerten. Ähnlichen Schmuck trugen sie um die Hand- und Fußgelenke. Die Brüste der Frauen waren nackt, und sämtliche Tänzer waren mit bunten Röcken bekleidet, Männer wie Frauen. Madeleine sah zur linken Seite den gemauerten Giebelrest des kleinen Hauses, rechts der Feuerstelle saß auf einem übergroßen Holzstuhl eine schöne Frau mit unbewegter Miene. Es war Chantal.
Trotz der Hitze überlief Madeleine ein Frösteln. Was machte sie hier? War sie etwa die Priesterin, von der Alizée gesprochen hatte? Chantal. Sie schien ihr unvermittelt allgegenwärtig. Die Kinder hatten ihren Namen erwähnt, Rodrique schien sie gut zu kennen, und nun saß sie hier als sei sie die Herrin der Zeremonie. Lediglich Dupont hatte sie noch nicht erwähnt. Doch er sprach ja ohnehin nicht mehr mit ihr als notwendig.
Plötzlich hob Chantal beide Arme. Die Trommeln verstummten, die Tänzer, die sich eben noch mit glasigem Blick um die Flammen bewegt hatten, verharrten. Wortlos winkte die Frau mit der linken Hand, und aus der Dunkelheit tauchte ein magerer Schwarzer auf, ohne jeden Schmuck und nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Er hatte eine Schale aus hellem Holz bei sich, die er Chantal mit einer tiefen Verbeugung überreichte. Sie stellte die Schale auf ihre Knie, murmelte einige Worte und hob das Gefäß langsam mit beiden Händen in die Höhe.
Dumpf setzten die Trommeln wieder ein. Das Geräusch schwoll an, Chantal verhielt in der Bewegung und stampfte mit einem Fuß. Aus der Gruppe der Tänzer, die um das Feuer versammelt standen, lösten sich etliche Männer und Frauen und gingen mit gesenktem Kopf zu ihr. Madeleine sah, wie sie der Reihe nach in die Schale griffen. Silberne Nadeln blinkten im Schein der Flammen. Einer nach dem anderen zogen sich die Anhänger des Voodoo zurück und gruppierten sich erneut um das Feuer. Als der Letzte
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