Plasma City
Gebäude nähert, findet sie den Hausmeister mit ein paar Freunden beim Biertrinken vor dem Haus. Es sind große Männer mit Bierbäuchen und schwieligen Händen. Der Hausmeister starrt sie missmutig an.
»Haben Sie immer noch in meinem Keller zu tun, Lady?«
»Ja.« Sie drängt sich durch die Männer. Kräftige Schultern und hängende Bäuche umringen sie wie schiefe Gebäude. Sie bemüht sich, im Bierdunst nicht empört die Nase zu rümpfen.
»Haben Sie denn da unten was gefunden?«, fragt der Hausmeister. Aiah bleibt stehen und sieht ihn an.
»Wieso? Haben Sie etwas verloren?«
Ein paar Männer kichern amüsiert. Der Hausmeister starrt finster.
»Ich passe auf mein Haus auf«, sagt er. »Ich mag es nicht, wenn Leute hier herumstrolchen.«
Aiah drängt sich an ihm vorbei, betritt die Eingangshalle und dreht sich noch einmal zu ihm um. Sie darf nicht zulassen, dass er die Oberhand gewinnt, sie muss ihn an Ort und Stelle zurechtweisen. »Sie haben bisher auch noch niemanden daran gehindert, hier herumzustrolchen. Da unten haben Leute gelebt .«
Der Mann zuckt die Achseln. Seine Freunde sehen schweigend zu, scheinen jetzt überhaupt nicht mehr amüsiert, sondern sehen zwischen Aiah und dem Hausmeister hin und her und schätzen ab, wer beim Kräftemessen den Sieg davontragen wird.
»Sie haben den Zugang nicht überwacht«, fährt Aiah fort, »und Sie haben manipulierte Zähler in Ihrem Gebäude. Vielleicht können Sie mir sagen, wo ich da unten ein Plasmareservoir finde?«
Der Hausmeister weicht ihr aus und sieht unsicher zur Straße. »Die Zähler sind womöglich schon vor Jahren geknackt worden, bevor ich diesen Job hier bekommen habe. Es hat in all den Jahren, seit ich hier bin, keine Inspektion gegeben.«
Aiahs Herz rast. Vielleicht sollte sie jetzt aufhören, bevor sie ihn provoziert, etwas zu tun, das sie bereuen würde. Beispielsweise könnte er ihre Vorgesetzten anrufen und sich beschweren. Aber irgendetwas – vielleicht ihr Instinkt oder auch nur die Euphorie vom Plasma – lässt sie weitermachen.
»Die Besitzer des Gebäudes werden so oder so eine Strafe bekommen, ganz egal wann die Zähler manipuliert worden sind«, fährt sie fort. »Sie werden mit Ihnen nicht zufrieden sein. Und wenn Sie wollen, dass ich nicht in Ihrem Keller herumstrolche, sollten Sie mir lieber gleich sagen, wo genau das Plasma abgezapft wurde.«
Der Hausmeister starrt unentwegt die Straße an. »Ich weiß nichts davon.«
Aiah zuckt die Achseln. »Ich werde nach Stunden bezahlt, mir ist das sowieso egal.« Sie geht nach unten zur Pneumastation.
War das klug?, fragt sie sich. War das vorsichtig ?
Eigentlich nicht, aber es war notwendig.
Unten, unter dem Eisen und den Ziegelsteinen und dem Beton, hört Aiah das Plasma rufen. Ein helles Licht in kalter, feuchter Dunkelheit.
■ ■ ■
Eine großzügig bemessene Dosis Plasma hilft Aiah im alten Luftschacht die Leiter hinauf. Kondenswasser tropft aus den morschen Leitungen auf die rostigen Sprossen und ihren Kopf. Sie hat sich entschlossen, einen anderen Ausgang zu benutzen, damit sie die geladenen Plasmabatterien nicht an einem Haufen missmutiger Betrunkener vorbeischleppen muss.
Aiah spannt die Beinmuskeln an und drückt das schwere Eisengitter hoch, das sie vor zwei Tagen von Grandshuk lockern ließ. Sie löst die Sicherheitsleine und taucht im schwachen gelblichen Notlicht eines Versorgungstunnels auf. Der Querschnitt des Tunnels ist oval, die Wände sind aus Fertigteilen zusammengefügt. Der Tunnel schützt die Leitungen für Strom, Fernwärme und Kommunikationseinrichtungen. Eine Reihe schwacher Birnen, die in Metallkäfigen düster glühen, beleuchtet den Gang, durch den Aiah gebückt mehr oder weniger in Richtung der Trackline-Station läuft.
Über sich hört sie Straßenlärm, dann sieht sie Stufen, die direkt in die gekrümmte Betonwand geschnitten sind. Sie setzt die Stiefelspitzen auf die Stufen und schiebt sich nach oben, dann hebt sie vorsichtig den Deckel ein wenig an. Sie will sich nach Möglichkeit nicht von einem Lastwagen überfahren lassen, aber sie hört oben keinen Verkehrslärm und spürt keine Erschütterungen. Also ist die Straße wohl nur für Fußgänger freigegeben.
Aiah schiebt mit beiden Händen und drückt den Deckel weiter auf. Als sie durch den Spalt späht, sieht sie dicke Socken, die zusammen mit zwei Füßen in alte Pantoffeln gequetscht sind. Sie klappt den Deckel noch weiter auf und sieht einen älteren Mann, der durch
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