Plasma City
willigt ein.
Es sind viele Männer im Club. Derjenige, für den sie sich interessiert, heißt Fredho. Er ist ein guter Tänzer, und als sie sich zur Musik umeinander drehen, gibt er ihr das Gefühl, eine viel bessere Tänzerin zu sein, als sie es tatsächlich ist. Wenn er keine Partnerin findet, tanzt er allein und legt spektakuläre Figuren hin, wirft die Beine hoch, wirbelt um die eigene Achse und springt hoch. Er trägt eine teure Jacke aus weißer Rohseide über der nackten Brust. Die Jacke muss ein Geschenk sein, weil er sich überhaupt nicht darum schert, was aus ihr wird. Sie ist mit Dreck vom Boden verschmiert und stellenweise reißt das Samtfutter auf, wenn er herumspringt. Seine Haut ist von einem schönen Braun wie gebrannter Zucker, die Brust ist glatt – das ist gut, weil Aiah sich jetzt nicht an Gils behaarte Brust erinnern will. Nicht wenn sie denkt, was sie gerade denkt.
Fredho ist wirklich nett – angemessen überheblich, aber nicht zu penetrant. Irgendwann nach einem langsamen Tanz fragt er, ob er sie nach Hause begleiten kann. Sie löst sich ein wenig von ihm, schaut ihn aus zusammengekniffenen Augen an und versucht, zu einer Entscheidung zu kommen. »Vielleicht später«, sagt sie und beugt sich vor, um einen Schweißtropfen von seiner nackten Brust zu lecken – etwas, über das sie die letzten paar Minuten angestrengt nachgedacht hat.
Er zuckt die Achseln, lässt sie zu ihrem Tisch zurückkehren und tanzt eine Weile allein. Aiah fragt sich, warum er mit zu ihr kommen will und ob bei ihm zu Hause vielleicht eine Frau wartet. Dann beschließt sie, dass es keine Rolle spielt. Wer mit Fredho lebt, weiß genau, was Fredho treibt.
Nicht lange, und es ist spät genug. Sie fährt mit Fredho zu den Loeno Towers. Sie fallen schon unterwegs übereinander her, küssen sich, knabbern und necken sich … die anderen Fahrgäste schauen verlegen weg.
Aiah nimmt Fredho in ihren schwarzen Glasturm mit und vögelt ihn dreimal. Als sie am nächsten Morgen vom Wecker aus dem Schlaf gerissen wird, ist Fredho weg. Genauso weg wie ihr ganzes Geld, die Plasmabatterien und das Elfenbeinarmband, das Gil ihr geschenkt hat.
Mit heftig klopfendem Herzen sieht sie Gils Bild an der Wand an und verspricht ihm, dass sie schleunigst sehr viel klüger werden wird.
Aiahs Frühstück besteht aus Kaffee
und Vitaminpillen. Sie kommt zwanzig Minuten zu spät zur Arbeit, aber den anderen geht es auch nicht besser und niemand sagt etwas. Die Zeit bis zur nächsten Pause sitzt sie am verbeulten Metalltisch im Büro ab, dank des Kopfhörers und ihres benebelten Kopfs halbwegs von Jaymes Gekreisch abgeschirmt, und denkt über ihre Lage nach.
Nach der Mittelpause muss sie mit Grandshuk und Lastene zur Old Parade hinaus. Sie schleppt sich den Nachmittag über durch schlammige Tunnel und kratzt sich an einem abgebrochenen Rohr das Schienbein auf.
■ ■ ■
Plasma strömt durch Aiahs Körper und erfüllt jeden Hohlraum, als würde warmes Wasser in ihr aufsteigen. Das Trigramm glüht in ihrem Kopf, dunkelblau und zugleich strahlend, pulsierend vor Energie. Die Umgebung wird ihr stärker bewusst, als die Wahrnehmung sich schärft und die Sinne angeregt werden – als hätte sie sich gerade mit einem unerschöpflichen Quell verbunden, der die ganze Welt mit Lebenskraft speist. Sie greift mit der Wahrnehmung durch die Dunkelheit und spürt auf einmal die Oberfläche der vernarbten Betonwände. Das unsichtbare stützende Geflecht der Metallstreben hinter den Wänden hebt sich ab wie die Knochen auf einem Röntgenbild. Sie hört den raschen Herzschlag eines Tiers, wahrscheinlich einer Ratte, die zusammengerollt unter dem verfallenen Bahnsteig schläft.
Diese Wirkung hat sie bisher noch nicht bemerkt. Wahrscheinlich war sie bei den ersten Kontakten zu aufgeregt.
Aiah lenkt das Plasma durch ihren Körper, verbrennt die Giftstoffe, die nach dem Alkoholgenuss zurückgeblieben sind, und saugt die Energie auf. Sie ist inzwischen darin geübt und fühlt sich nach einer Weile unbezwingbar stark. Ihre Wahrnehmungen scheinen bis zum Schild und tief in die Erde zu reichen.
Die Plasmabatterie ist fast erschöpft, deshalb nimmt sie die nächste von den dreien, die sie gerade geladen hat. Sie versucht es mit ein paar visuellen Effekten. Helle Farbstreifen breiten sich auf dem Bahnsteig aus, in den Ecken erscheinen kleine Irrlichter, helles Licht strahlt aus den alten, ausgeschlachteten Lampen an der Decke.
Sie versucht
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