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Plasma City

Plasma City

Titel: Plasma City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Jon Williams
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mehr zu sehen ist. Sie will vermeiden, dass man sie zu ihrem Ausgangspunkt zurückverfolgen kann.
    Vorsichtig hebt sie ihre Anima ans Fenster und späht hinein. Es dauert einen Augenblick, bis sich die Wahrnehmung ans Dämmerlicht angepasst hat. Und richtig, dort sitzt auch Guvag. Älter und dicker als auf den Chromographien, aber unverkennbar. Er sitzt in Hemdsärmeln an einem runden Tisch in der Mitte des Raums und trinkt Schnaps. Ein paar seiner Kumpane hocken bei ihm. Junge Männer, die sich wie die Gockel herausgeputzt haben, alte Männer mit ausdruckslosen, maskenhaften Gesichtern. Die Runde wirkt gelangweilt.
    Also brauche ich nur zu warten, bis Guvag herauskommt, denkt sie.
    Das Plasma grollt ungeduldig in ihren Ohren. Aber vielleicht habe ich nicht genug Zeit, überlegt sie weiter. Constantine oder Sorya können jeden Augenblick in die Fabrik kommen. Sie streckt die Wahrnehmung weiter aus, bis das Feld auch die Straße erfasst. Die große Carfacin-Limousine, die neben dem Hydranten im Halteverbot steht, muss Guvag gehören.
    Vielleicht sollte sie damit anfangen. Aiah nähert sich dem Wagen, bildet sorgfältig ein Paar Plasmahände aus und schiebt sie unter das Fahrzeug. Die Energie fließt durch die Speiseleitung. Der Wagen bebt, steigt hoch, balanciert in der Luft. Aiah spürt, wie sich unsichtbare Muskeln in Schultern und im Rücken spannen, als sie den Wagen bis in Kopfhöhe hochdrückt. Dann gewinnt die Ungeduld die Oberhand, und sie umhüllt den ganzen Wagen mit einer Energiekugel und jagt ihn quer über die Straße, als wäre eine Kanonenkugel abgefeuert worden.
    Die Fenster des Clubs platzen nach innen weg, als der wuchtige, verchromte Kühler des Wagens durchschlägt. Tische und Stühle kippen um, Glassplitter spritzen in den Raum. Aiah fliegt durch eine Lücke in der Bronzeabschirmung ins Gebäude und sucht Guvag, der mit einer für sein Gewicht überraschenden Geschwindigkeit aufgesprungen ist und wegrennt.
    Aiah langt mit einem Gedanken nach ihm, als würde sie mit einer Fliegenklatsche zuschlagen, und Guvag geht zu Boden. Sie packt ihn mit unsichtbaren Händen am Kragen und schleppt ihn zum Tisch zurück.
    Er soll mich sehen, denkt sie. Und sie formt sich einen Körper – nicht ihren eigenen, denkt sie, sondern etwas Beeindruckenderes. Eine mächtige, riesenhafte Gestalt mit Händen wie Klauen und dem Gesicht eines wilden Tiers. Eine brennende Gestalt, brennend mit einer Flamme, die ihrem Zorn entspricht.
    Das Feuer spiegelt sich an den schmutzigen Wänden des Clubs, als ihr Plasmakörper Gestalt annimmt. Guvag, der hinter dem Tisch auf Knien hockt, starrt sie entsetzt und verängstigt an. Seine Freunde und Handlanger sind längst geflohen. Aiah sieht ihn mit den scharfen, schmalen Augen eines Falken an.
    »Kannst du mich hören?«, fragt sie.
    Sprachlos nickt er. Das Tischtuch beginnt zu brennen, Aiah wischt es mit einer beiläufigen Handbewegung weg.
    »Du hast einen Fehler gemacht«, sagt Aiah zu ihm. »Der Wisdom Fortune Temple steht unter meinem Schutz. Hast du das verstanden?«
    »Ja«, sagt er. »Ja, ich habe verstanden!« Sie packt ihn und schüttelt ihn, ihr Feuer versengt ihm das Gesicht.
    »Du weißt nicht, wer ich bin«, sagt Aiah. »Du wirst nie erfahren, wer ich bin. Aber wenn du dich nicht aus Old Shorings heraushältst, wirst du mich wiedersehen. Verstanden?«
    »Ja!«, kreischt er. »Ja! Ich lasse deine Leute in Ruhe!«
    Aiah lässt ihn los, und er fällt wie ein nasser Sack zu Boden. Sie betrachtet sich in den Spiegeln hinter der Bar und sieht ein über die Beute gebeugtes Raubtier, einen Racheengel, der Feuer und Zerstörung verbreitet. Ihre Füße zerschmelzen allmählich den Plastikbelag des Bodens. Guvags Wagen hängt halb im Fenster, schräg nach vorn gekippt. Aiah lacht, und ihr Triumph dröhnt laut zwischen den engen Wänden. Sie hat sich noch nie so gut gefühlt.
    »Mach’s gut, Guvag«, sagt sie. »Vergiss nicht, dass ich jederzeit wiederkommen kann.«
    Am liebsten wäre sie triumphierend nach draußen marschiert, aber sie wagt es nicht, die Bronzeabschirmung des Clubs zu berühren. Also löst sie in der Fabrikhalle einfach die verkrampfte Hand vom Sender und der ferne Shade Club verschwindet aus ihrer Wahrnehmung.
    »Schon bei der Arbeit?« Constantine steht hinter ihr, anscheinend ist er inzwischen in der Fabrik eingetroffen.
    Aiah leckt sich die Lippen. »Ja«, sagt sie. »Ich arbeite an der Telepräsenz.«
    Sie zittert. Sie fühlt sich auf einmal winzig und

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