Plasma
etwas Besseres. Sie hätte in Grand Lake bleiben sollen, aber zu seiner Verwunderung hatte sie darauf beharrt, dass nur sie die Blutproben auf die neuen Nanos hin überprüfen konnte. Ruth bestrafte sich immer noch. Warum denn bloß?
Die Fahrt hierher war nicht einfach gewesen. Sie hätten ihren Weg unterhalb der Todesgrenze wählen können, aber sie wollten möglichst vielen Menschen begegnen, und südlich von Grand Lake hatten sich die Pest-ANNs nur da ausgebreitet, wo sie selbst den Impfstoff verteilt hatten. Unterhalb von 10 000 Fuß gab es keine Flüchtlinge. Dennoch waren die Straßen mit liegen gebliebenen Fahrzeugen verstopft. Die meiste Zeit fuhren sie kreuz und quer durch das Gelände. In drei Tagen hatten sie nicht mehr als vierundzwanzig Meilen zurückgelegt. Einmal hatten sie die Jeeps mithilfe von Winden über ein Steilstück befördert. Nicht selten waren sie umgekehrt, weil der Weg nicht weiterführte. Sie hatten nicht genug Leute, um Kundschafter vorauszuschicken, und selbst die besten Karten erwiesen sich als unzuverlässig, da Erdrutsche oder Flüchtlingslager die Strecke blockierten.
Sie mieden die größten Gruppen. Zweimal waren sie in die Todeszone ausgewichen, als sie unvermutet auf Shantytowns stießen. Ruth benötigte zwar möglichst viele Blutproben, aber sie befürchteten, dass sie den Horden nicht gewachsen waren. Der Trupp hatte außer den Karabinern vier M60-Maschinengewehre und zwei kurze Mac-10-Maschinenpistolen, die Foshtomi gern als »Fleischwolf« bezeichnete. Aber zwölf Mann konnten nichts gegen tausend hungrige Leute ausrichten, die es auf ihre Vorräte abgesehen hatten. Zum Glück waren sie schneller als die Mundpropaganda. Ihre Fahrzeuge erwiesen sich als enormer Vorteil. Fast alle Flüchtlinge, denen sie begegneten, hörten zum ersten Mal von ihnen.
Dass ihr Trupp nicht größer war, hatte mehrere Gründe. Zum einen mussten sie in der Lage sein, genügend Nahrungsmittel und Sprit in der Todeszone aufzutreiben, um überhaupt vom Fleck zu kommen. Zum anderen wollten sie der Aufmerksamkeit der russisch-chinesischen Flugzeuge und Satelliten entgehen. Ein großer Konvoi wäre aber aufgefallen, und die Spione aus der Luft stellten eine weit größere Gefahr dar als Rotten von hungernden Überlebenden.
Ähnlich wie bei ihrer Mission in Sacramento bestand der Trupp eher aus Häuptlingen als aus einfachen Indianern. Nur Foshtomi und Ballard dienten als Corporals. Die Übrigen konnten diverse Sergeantränge vorweisen. John Park war Captain, ebenso wie Deborah. Allerdings stand von Anfang an fest, dass Park das Kommando hatte.
Deborah galt wie Ruth und Cam als Fremdkörper. Sie befand sich immerzu in der Nähe ihrer Freundin. Die hochgewachsene blonde Ärztin hatte ebenfalls an ihren Notizen gearbeitet, aber nun stand sie auf, kam vier Schritte näher und setzte sich neben Ruth. »Kann ich Sie mal wegen der zweiten Gruppe sprechen, die wir heute hatten?«, unterbrach sie das Gespräch zwischen Ruth und Cam.
Das ist Absicht, dachte er. Deborah hatte sich seit etwa zwanzig Minuten still mit ihren Unterlagen beschäftigt. Konnte es sein, dass Ruth ihr heimlich ein Zeichen gegeben hatte? Nein. Ruth nickte, sah Cam jedoch mit einem entschuldigenden Blick an. Sie suchte die Gelegenheit zu einem Gespräch, auch wenn sie ein wenig nervös wirkte. Cam beobachtete die beiden Frauen mit gerunzelter Stirn. Allmählich entwickelte sich zwischen ihm und Deborah eine echte Rivalität.
»Vier dieser Flüchtlinge erklärten, sie kämen aus östlicher Richtung.« Deborah tippte auf ihren Notizblock. »Soll ich ihre Blutproben zu denen der ersten Gruppe ordnen?«
»Auf gar keinen Fall«, entgegnete Ruth. »Am besten, wir legen eine Untertabelle an und arbeiten mit Querverweisen.«
»Okay. Und alle, die aus dem Süden kommen, haben weiterhin Priorität.«
»Genau.«
Deborahs Aufgabe war komplizierter geworden, seit sie am Nachmittag in aller Hast ihre Sachen gepackt und die Flucht ergriffen hatten. Wenn sie die Blutproben nicht richtig einordnete, konnten sie die ganze Mission vergessen. Aber nicht deshalb hatte sie sein Gespräch mit Ruth unterbrochen.
Sie waren wie Motten, die es zum gleichen Lichtschein hinzog. Cam hatte das Gleiche schon einmal mit Mark Newcombe erlebt. Deborah war hier, um Ruth zu beschützen. Sie hatte die gleiche Motivation wie er. Jeder, der sich in Ruths Nähe befand, profitierte von ihrer unglaublichen Zielstrebigkeit.
»Ich muss mich allmählich für meine Schicht
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