Plasma
der kurzen Stille hörte Cam amerikanische Waffen, die den Angriff erwiderten. Sein linkes Ohr war immer noch teilweise taub, aber die abgefeuerten Granaten machten deutlich krack. Krack krack. Dann setzten ein paar Meilen im Westen erneut die dumpferen Schläge von der anderen Seite des Berges ein. Cam wäre es lieber gewesen, hätten sie sich weiter vom Sylvan Mountain entfernt. Er rechnete ständig damit, aus der engen Felsenschlucht werde der Tod hervorbrechen. Sie waren dem Kampfgebiet immer noch viel zu nahe, und der Feind hatte eine neue Offensive mit Verstärkungen aus Arizona begonnen.
Der Krieg war immer gegenwärtig. Rauch und Staub kamen mit dem Wind und verpesteten den Abendhimmel. Cam starrte in den Sonnenuntergang, ein rußig orangerotes Leuchten jenseits der dunklen Gipfelkette, die den Horizont bildete – aber seine Schönheit wühlte ihn jetzt auf, denn in jenem grandiosen Licht starben Menschen.
So wandte er sich in Richtung der Schlucht und hielt nach Ruth Ausschau. Er kauerte auf einem rissigen Granitsims und reinigte zusammen mit Foshtomi und Goodrich ein halbes Dutzend Karabiner. Beschäftigungstherapie, damit das Warten nicht zur Qual wurde. Hernandez hatte den Befehl erteilt, sich nicht von der Stelle zu rühren. Estey hatte vorgeschlagen, Patrouillen loszuschicken – er war vermutlich ebenso unruhig wie sie alle. Doch sie befanden sich hinter den eigenen Linien, und Hernandez verlangte, dass sie ihre Aktivitäten auf ein Mindestmaß beschränkten, um den Feind nicht auf sich aufmerksam zu machen. Es war riskant genug, dass sie das Camp am Sylvan Mountain mit zwei Militärlastern und einem Jeep verlassen hatten – Ruth, Cam, Deborah und die fünf Ranger, unterstützt von einer Kampfeinheit Marines und Hernandez selbst.
Hernandez beabsichtigte, Ruth bis zu den Kommandobunkern am Castle Peak zu bringen, aber sie hatten schon viel zu viel Zeit verloren. Wenn sie eine Lösung liefern konnte, dann brauchte er sie jetzt. Also warteten sie. Sie aßen. Sie halfen sich gegenseitig beim Versorgen der Wunden und versuchten etwas Schlaf nachzuholen.
Es war fast sechsunddreißig Stunden her, seit sie in dieser zerklüfteten Schlucht Unterschlupf gefunden hatten. Cam spürte die Anspannung wie einen körperlichen Schmerz. Mehr als alles andere hatte ihn das Pestjahr gelehrt, dass er sein Schicksal selbst in die Hand nehmen musste. Der Wunsch, jeder echten oder auch nur eingebildeten Bedrohung einen Schritt voraus zu sein, hatte ihn gezwungen, Allison zu verlassen. Er staunte immer noch über diese Entscheidung. Er hatte ihr Lächeln und ihre Wärme aufgegeben und dafür nur wieder Mühsal, Blutvergießen und die vage Aussicht auf Ruhm eingetauscht. So handelte kein vernünftiger Mensch. Andererseits bezweifelte er, dass irgendein – vernünftiger oder unvernünftiger – Mensch Ruth alleingelassen hätte.
»Hey, nun mach mal langsam!«, sagte Foshtomi und presste ihr Knie gegen seines.
Der kleine Schubs brachte Cam zu Bewusstsein, dass er starr wie ein Felsblock dasaß, den Körper angespannt und die Zähne zusammengebissen. Sie hat recht, dachte er. Du schadest dir nur selbst.
»Manchmal kannst du nichts anderes tun als eine Sache aussitzen«, fuhr Foshtomi fort und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie inspizierte den Verschlussträger eines M4-Sturmgewehrs, aber aus dem Augenwinkel musterte sie Cam, um zu sehen, ob er ihrem Befehl Folge leistete. Sarah Foshtomi war ein guter Kumpel. Cam unterdrückte ein Lächeln. Es gab schlimmere Dinge, als hier neben dieser robusten jungen Frau zu sitzen. Insofern hatte sie natürlich recht. Aber ihm fehlte Foshtomis jahrelange Militärerfahrung. Sie hatte gelernt, ihren Job und nur ihren Job zu machen, und sie akzeptierte ihren Platz im größeren Ganzen, während Cam ein Einzelgänger war, der sich nur auf die eigenen Fähigkeiten verließ.
Er war sich noch nie so ausgestoßen vorgekommen. Zwei der Marines hatten ihn als Feind in Erinnerung. Nathan Gilbride und Sergeant Watts gehörten zu den Leuten, die Cam in Sacramento verraten hatte, und im Gegensatz zu ihrem Vorgesetzten schienen sie nicht so ohne Weiteres bereit, ihm zu verzeihen. Schlimmer noch, sie hatten den anderen Marines von der Sache erzählt. Es war eine Komplikation, mit der er nicht gerechnet hatte. Cam hätte nie gedacht, dass er einen dieser Männer lebend wiedersehen würde. Er redete nicht viel und hielt den Blick gesenkt. Selbst Ruth war nicht mehr in seiner Nähe. Sie hatte das
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