Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
Vom Netzwerk:
entfaltet hatte.
    »Die Waffenspezialisten versuchten …«, begann Ruth, doch sie sprach nicht weiter, als ihr klar wurde, dass sie sich von ihrem Tun distanzierte, indem sie die Vergangenheitsform benutzte.
    »Ich habe davon gehört«, sagte Hernandez. »Ich glaube nicht, dass Leadville diese Nanos je aus der Hand gegeben hat.«
    Er glaubte, die Schneeflocke sei für immer aus der Welt verschwunden. Einen Moment lang war Ruth so sehr von Scham und Selbstverachtung überwältigt, dass sie kein Wort herausbrachte. Seine Leute hatten sie gerettet, und zum Dank dafür … »Grand Lake besitzt sie jetzt«, sagte sie. »Von mir. Ich habe sie nachgebaut.«
    Seine dunklen Augen starrten sie an.
    »Ich wusste keine andere Lösung«, sagte Ruth und hörte, wie Cam »Oh, mein Gott!« murmelte.
    Sie hatte ihm nichts davon gesagt. Warum auch? Zum damaligen Zeitpunkt war ihr diese Entscheidung richtig erschienen. Sie hatte geglaubt, ihrem Land ein mächtiges neues Abschreckungsmittel verschafft zu haben, und das stimmte immer noch, aber mittlerweile befand sich jeder hier im Kampfgebiet in Lebensgefahr.
    Hernandez wandte den Blick von ihr ab. Seine Finger umklammerten den Rand der Pritsche, als befürchte er, ohnmächtig zu werden. Er hatte verstanden. Ruth sah es seinem aschgrauen Gesicht an. Er war ein Taktiker, und er hatte während des gesamten Bürgerkriegs miterlebt, wie einstige Freunde und Verbündete hemmungslos aufeinander losgingen.
    Grand Lake hatte stets die Möglichkeit gehabt, Atomwaffen gegen den Feind einzusetzen. Es gab immer noch Offiziere der amerikanischen Air Force in den versiegelten Raketenabschussbasen von Wyoming und North Dakota, aber die Rocky Mountains lagen in Windrichtung sämtlicher Ziele des amerikanischen Westens. Schlimmer noch, der Feind würde aller Voraussicht nach zu einem atomaren Gegenschlag ausholen.
    Beim sogenannten Snowflaking war das aber anders. Eine Nano-Waffe wäre eine Eskalation. Ihr Einsatz erhöhte die Gefahr eines nuklearen Vergeltungsangriffs, aber verzweifelte Militärs redeten sich vielleicht ein, der Schritt werde den Feind lähmen. Verzweifelte Militärs redeten sich vielleicht ein, dass eine neue Massenvernichtungswaffe genau das war, was sie brauchten, um den Krieg zu gewinnen.
    Für Hernandez bedeutete dies ein schreckliches Dilemma. Er musste seine Infanterie in der Nähe bereithalten, um die Chinesen abzuwehren, aber wenn er sich zu sehr bei der Verteidigung engagierte, hatten seine Truppen keine Chance mehr, sich zurückzuziehen, bevor Grand Lake das Gebiet mit den Schneeflocken-Nanos bestäubte. Und doch musste er seine Leute bis zum letzten Mann in die Pflicht nehmen. Wenn er noch eine Schlacht verlor, wenn Grand Lake in Panik geriet oder schlicht die Geduld mit den mäßigen Erfolgen im Aspen Valley verlor, dann könnten sich die Düsenjäger, die Hernandez bislang unterstützt hatten, als todbringend erweisen.
    Die Bombardierung musste nicht wahllos erfolgen. Ruth hoffte, dass die Piloten den Verstand besaßen, ihre Kapseln auf der Seite der Chinesen abzuwerfen, die am weitesten von den Amerikanern entfernt war. Doch sie hatten keinerlei Erfahrung mit der Schneeflocke. Vermutlich waren sie nur darauf gedrillt, Direkttreffer zu landen. Unabhängig davon beruhte die Kettenreaktion auf der Technologie der Waffen-Nanos. Sie würde die Linien der Amerikaner erreichen.
    »Es gibt nur eine Möglichkeit«, sagte Ruth. »Wir berichten Grand Lake, meine Mission sei erfolgreich gewesen.«
    »Sie haben noch nicht einmal angefangen …« Hernandez schüttelte über sich selbst den Kopf. Er wirkte immer noch wie betäubt. »Natürlich. Okay.«
    Das Lügen fällt ihm selbst jetzt noch schwer, dachte Ruth, obwohl er immer wieder betrogen und im Stich gelassen wurde.
    Hernandez stand auf. Er schien erleichtert, sich von ihr entfernen zu können. »Was soll ich auf der allgemeinen Frequenz durchgeben?« »Sagen Sie ganz einfach, dass ich gefunden hätte, was ich suchte. Damit gewinnen wir ein wenig Zeit.«
    »Ich setze mich sofort mit ihnen in Verbindung.«
    »Das alles tut mir so leid«, sagte Ruth. »Ehrlich.« Worte konnten nicht ausdrücken, was sie fühlte. Wieder einmal hatte sie genau die Menschen verletzt, die alles riskierten, um ihr zu helfen.

23
    Chinesische Artillerie beschoss das Land in der Ferne, ein dumpfes, gestaffeltes Dröhnen, das kam und ging. Drei oder vier Explosionen dicht aufeinander, eine Pause, und dann zehn oder mehr Einschläge in rascher Folge. In

Weitere Kostenlose Bücher