Plasma
waren. Er war derjenige, der in Sacramento verloren hatte. Er war derjenige, der die Vernichtung von Leadville miterlebt hatte. Hernandez unterzog sie einer Prüfung. Wenn sie den Test nicht bestand, wenn er tatsächlich glaubte, dass Grand Lake die Absicht hatte, ihn zu vernichten, dann konnte es geschehen, dass der amerikanische Bürgerkrieg erneut ausbrach – und zwar zu einem Zeitpunkt, da man sich einen solchen Bruderzwist am wenigsten leisten konnte. Selbst mit vereinten Kräften konnten die Truppen in Colorado die Chinesen kaum in Schach halten.
»Denken Sie wirklich, dass wir uns bis hierher durchgekämpft haben, nur um zu sterben?«, fragte Ruth mit beißendem Sarkasmus. »Oder dass wir eine Selbstmordmission für die einzige und beste Lösung halten?«
»Ich weiß, dass Sie eine Menge Schuldgefühle mit sich herumschleppen.« Er schaffte es mit einem einzigen Satz, ihren Hohn beiseitezuschieben. »Ihre Freunde wussten vielleicht nicht, was Sie vorhatten«, fügte Hernandez hinzu, und damit traf er ins Schwarze.
Er wandelte ihre Verachtung in Selbstzweifel um. Ruth wandte sich Cam zu. »Das ist nicht wahr«, sagte sie.
»Ich weiß.« Cam bedeckte ihre Hand mit der seinen.
Hinter ihr stützte sich Deborah auf einen Ellbogen und starrte Hernandez an, während sie den freien Arm leicht auf Ruths Taille legte. Es war ein Augenblick der Zuneigung, und Ruth würde die Loyalität der beiden Gefährten nie vergessen. Sie war ihnen dafür dankbar, denn wirklich hütete sie noch ein Geheimnis.
»Ich kam her, um Ihnen zu helfen«, erklärte sie Hernandez. Ihre Stimme schwankte, sie war den Tränen nahe. »Ich kam her, um allen zu helfen«, fügte sie hinzu. Hernandez nickte zögernd. Die Geste war im Dunkel kaum zu erkennen.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich musste mir Gewissheit verschaffen.«
»Sie … Aber wir …«
»Tut mir leid.« Er hob unsicher die Hand, als suchte er eine Stelle, an der er sie berühren und so ein Glied der Kette bilden konnte, die sie mit Cam und Deborah verband. Ruth hoffte, er würde es tun. Stattdessen senkte er aber nur langsam den Arm. »Ich trage die Verantwortung für die Leute hier«, sagte er. »Das ist meine vordringliche Aufgabe. Und Ihre Aufzeichnungen haben etwas Erschreckendes.«
»Ich weiß.«
Sie schwiegen einen Moment und horchten auf die unruhigen Geräusche der verwundeten Soldaten, die trotz des gemeinsamen Elends allein waren und froren.
»Sie sollten ihr keine Hindernisse in den Weg legen«, sagte Deborah. »Ruth ist die beste Chance, die wir haben.«
»Wir werden sehen.« Hernandez erhob sich.
Ruth streckte die Hand nach ihm aus. »Warten Sie! Bitte!«
»Es gibt so viel zu tun.«
»Ich will nicht, dass Sie so gehen«, erklärte sie, und es war ihr vollkommen ernst damit. »Bitte. Nur ein oder zwei Minuten.«
»Also schön.« Hernandez setzte sich wieder.
Ruth suchte krampfhaft nach ein paar freundlichen Worten. »Möchten Sie etwas von der Suppe?«, fragte sie schließlich.
»Nein. Die ist für Sie.«
Aber es gab zu viele wichtige Dinge, die sie wissen musste, und niemals genug Zeit, um sie in Erfahrung zu bringen. »Wir vermuteten Sie in Leadville, als die Bombe hochging«, sagte sie.
Hernandez nickte. »Ich war da.«
Seine Kompanie hatte wegen der Berge überlebt, die die Hauptstadt umgaben. Das russische Flugzeug befand sich ein gutes Stück unterhalb der etwa 4200 Meter hohen Gipfel, als es seine Fracht zündete. Der hohe Kessel der Wasserscheide hatte die Explosion nach oben anstatt nach außen gelenkt. Der amerikanische Geheimdienst schätzte die Sprengkraft auf sechzig Megatonnen. Eine Endzeitwaffe. Es gab keinen Grund, so viele Sprengköpfe in das Flugzeug zu packen, es sei denn die Russen rechneten damit, dass man sie unterwegs zur Umkehr zwingen oder abschießen würde. Wäre das Ding hoch in der Luft detoniert, hätte es die Stadt noch aus fünfzig Meilen Entfernung dem Erdboden gleichgemacht und aus hundert Meilen Entfernung stark beschädigt.
Hernandez hatte Glück gehabt, dass sie so nahe gekommen waren. Auf den Bildern der Aufklärungsflugzeuge und -Satelliten sah man dort, wo die Bombe eingeschlagen hatte, nur Schlacke. Es gab im gesamten Tal nicht die kleinste Spur von Leben. Das Land selbst war nicht mehr zu erkennen. Unmengen von Erdreich und Felsen waren verdampft, und der Rest hatte sich für kurze Zeit verflüssigt. Die beklemmend wirkende neue Ebene war von schiefen kleinen Hügeln und Dünen durchzogen. Sie sah fast so
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