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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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lässig. »Ich bezweifle, dass man aus ein paar Bildern große Schlüsse ziehen kann«, erklärte er mit einem Achselzucken. »Außerdem wäre das umso mehr ein Grund für Indien, uns zu unterstützen. Unsere Seite muss die Oberhand behalten, wenn wir nicht wollen, dass unsere Kinder in der Schule Chinesisch lernen.«
    »Bevor wir sie bekämpfen, wollen wir die Schneeflocke«, sagte Ulinow, und er lächelte, als er ihre entsetzten Blicke bemerkte. Orbitalanalysen waren eine Sache. Dass er jedoch auch den Namen ihrer Nano-Waffe kannte, deutete eher auf Spionage im großen Stil hin. Und dass er die Kühnheit besaß, dieses Thema offen anzusprechen, musste sie erst recht verunsichern, da es nicht mehr und nicht weniger als eine Kampfansage war.
    Kendricks reagierte ausweichend. Er musterte Ulinow mit gerunzelter Stirn, aber sein Tonfall blieb ebenso ruhig wie sein Blick. Den Mann konnte nichts erschüttern. »Das könnte schwierig werden, da wir im Augenblick kaum die technischen Möglichkeiten haben, genug von diesem Nano herzustellen«, erwiderte er. »Auch deshalb brauchen wir die Ausrüstung der Inder.«
    Ulinow nickte langsam, bitter. Er schätzte seine Position ab und erkannte, dass sie schwach war. Aber er hatte eindeutige Order erhalten. »Wir wollen die Schneeflocke«, wiederholte er.

9
    Es war natürlich eine Finte. Seine Regierung musste wissen, dass die Amerikaner eine Waffe dieser Größenordnung niemals aus der Hand geben würden, wenngleich Schraeder gegen Ende des Treffens ein paar Äußerungen fallen ließ, dass man eventuell einige Berater der Special Forces entsenden könnte, die sich mit der Schneeflocke auskannten.
    Was hatten seine Landsleute wirklich vor?
    Ulinow verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen und spähte durch Wind und Dunkel zum sternenübersäten Himmel hinauf. An diesem Abend schienen seine alten Freunde sehr weit entfernt zu sein. Er versuchte sich ihre wahre Schönheit in Erinnerung zu rufen. Selbst in einer Höhe von 10000 Fuß lag eine viele Meilen dicke Atmosphäreschicht zwischen ihm und dem Weltraum, die das Sternenlicht veränderte und abschwächte.
    Durch die Sichtluken der ISS hatten die fernen Sonnen nie geflimmert, und Ulinow vermisste ihre beständig strahlende Vollkommenheit, weil er befürchtete, die innere Perfektion, die er stets angestrebt hatte, könnte ihm entgleiten.
    Er war ein Werkzeug. Das akzeptierte er. Es stand sehr viel mehr auf dem Spiel als sein persönliches Wohl, aber dieses neue Gambit fiel ihm nicht leicht. Er hatte Kendricks wegen der Nanos bedrängt und dafür verraten, dass er einen geheimen Nachrichtenkanal hatte, denn seine Gespräche mit der russischen Führung wurden immer sehr genau überwacht. Ohne Frage spielten die NSA-Experten diese Bänder wieder und wieder ab, um jedes Wort zu analysieren. Die Farce der Diplomaten-Immunität hatten sie sich von Anfang an erspart.
    Wann immer eine Unterredung auf dem Plan stand, sah sich Ulinow von einer ganzen Horde amerikanischen Personals umgeben. Dass er neue Informationen preisgab, war für seine Verhandlungspartner daher ganz sicher eine Überraschung.
    Inzwischen hatten die Amerikaner ihren Funkraum vermutlich auf den Kopf gestellt und alles x-fach nach Wanzen und Viren abgesucht, um seine Kontakte zur Heimat zu unterbrechen. Ihm gefiel das ganz und gar nicht. Er war jetzt schon fast völlig isoliert. Schlimmer noch, das Ganze kam ihm so endgültig vor. Ulinow strich mit dem Daumen über die harten Umrisse der 9-mm-Glock in seiner Jackentasche.
    Die Nacht war frostig, insbesondere hier oben auf dem Balkon im zweiten Stockwerk. Ein scharfer Wind umwehte ihn, aber der Haupteingang des Hotels war versperrt, und er hatte nicht einmal den Versuch unternommen, in den Hof zu gelangen. Kaum jemand durfte nach der Sperrstunde ins Freie. Leadville hatte sich bis zum Sonnenaufgang zur Ruhe begeben. Nur hier und da waren ein paar Fenster erleuchtet.
    »Kein Signal«, wisperte der Schatten neben ihm und hielt ein Handy in das schwache Sternenlicht. »Immer noch kein Signal.«
    Ulinow nickte kurz. Zu seiner Verwunderung blitzten Gustavos Zähne einen Moment lang weiß auf. Ein Teil dieses Grinsens beruht auf Angst, dachte er. Aber der Rest ist Trotz und Selbstbewusstsein. Gus hatte die Amerikaner schon früher hinters Licht geführt. Er schwor, dass er sie auch jetzt noch hereinlegen konnte.
    Gustavo Proano war ein hagerer, bestenfalls mittelgroßer Mann, aber Ulinow musste sich ihren Größenunterschied

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