Plasma
auf den Berg dort drüben, oder?«
»Vielleicht wollt ihr doch mehr mitnehmen«, warf Ed in seiner vorsichtigen Art ein. Cam war aufgefallen, dass der Mann ein Problem nie direkt anschnitt. Er erteilte auch keine strikten Befehle, sondern regte die Jungen mit ein paar Vorschlägen eher dazu an, selbst nachzudenken und Entscheidungen zu treffen.
»Sie meinen, falls es Probleme gibt«, sagte Hiroki.
»Wir wissen nicht, wie es dort drüben aussieht.«
»Yeah. Schon klar.« Mike nickte ungeduldig. »Dann packen wir eben noch ein Zelt ein. Mehr Proviant. Das müsste trotzdem in zwei Tagen zu schaffen sein. Locker.«
»Ich will ja nur, dass ihr auf alles vorbereitet seid«, sagte Ed.
Biegen statt brechen, dachte Cam. Der Mann hatte erkannt, dass er sie nicht festhalten konnte, aber er versuchte sie zumindest ein wenig zu zügeln.
»Jetzt haben wir schon so lange gewartet«, fuhr er fort. »Da kommt es auf eine Woche mehr oder weniger auch nicht an, oder?«
»Vielleicht sollten sich erst mal zwei oder drei von uns umsehen«, meinte D Mac. »Nach Nahrung suchen und so. Es muss doch jede Menge tolles Zeug da unten geben.«
Cam schaute an D Mac vorbei und warf dem Mädchen einen verstohlenen Blick zu. Es waren ihre Bedenken, die D Mac zum Ausdruck brachte.
»Nein.« Cam richtete sich auf. Der Wind fuhr mit Eisfingern durch seine Haare. Allein der Wechsel vom Sitzen zum Stehen machte einen gewaltigen Helligkeitsunterschied. Die orangerote Hitze des Lagerfeuers reichte ihm nur bis zur Hüfte. Darüber dehnte sich der endlose Himmel, leer und kalt. »Entweder ihr geht, oder ihr bekommt den Impfstoff nicht«, erklärte Cam. »So einfach ist das. Und jeder Tag zählt. Das wisst ihr doch. Wir befinden uns mitten in einem Krieg. Schon morgen könnten Leadville-Piloten diesen Berg ansteuern. Und warum zum Henker wollt ihr in dieser verdammten Felseneinöde bleiben, wenn dort unten die ganze Welt wartet?«
»Das stimmt«, murmelte Mike.
»Geht oder bleibt.« Cam starrte Ed und D Mac über die hüpfenden Flammen hinweg an. »Aber den Impfstoff bekommt ihr nur, wenn ihr geht.«
»Ihr wart sehr vorsichtig bei der Wahl eurer Helfer«, sagte Ed ruhig.
»Ja.« Cam sprach dieses Thema nur äußerst ungern an – die Monster, auf die sie stoßen konnten. »Ihr könnt ebenfalls vorsichtig sein«, sagte er. »Aber ihr müsst gehen. Ihr müsst den Versuch wagen.«
Cam bemerkte, dass Ruth und Newcombe die Köpfe zusammensteckten, und er spürte, wie Ärger und Misstrauen in ihm aufstiegen, weil er sofort an Samantha und D Mac denken musste. Es war eine Schwäche, das wusste er, aber die Seuche hatte nicht nur seinen Körper zerstört, sondern auch seine Psyche angegriffen. Er konnte sich nicht vorstellen, wie er jemals wieder mit einer Frau zusammenkommen sollte, und das verzerrte seine Wahrnehmung, ob es nun um Ruth oder um das Mädchen ging.
Im Camp kehrte Nachtruhe ein. Das Feuer war zu einer schwachen Glut heruntergebrannt. Nur noch Mike und Brandon saßen am Rand der warmen Grube und unterhielten sich im Flüsterton. Ed, Alex und D Mac huschten durch das Dunkel und schleppten Decken von einem Zelt zu zwei anderen, um Platz für ihre Gäste zu schaffen. Eds Stimme drang laut aus dem zweiten Zelt. Allem Anschein nach hatte er eine Auseinandersetzung mit Samantha.
Cam kauerte sich neben seinen beiden Gefährten nieder. »Was gibt es?«
»Wir überlegen«, meinte Ruth. Das klang, als würde sie sich verteidigen. Und eine Spur argwöhnisch.
»Uns bleibt nichts anderes übrig, als diese Burschen ein wenig unter Druck zu setzen«, sagte Cam.
»Darum geht es nicht«, erklärte Newcombe.
»Ich halte es für besser, wenn wir versuchen, den Treffpunkt zu erreichen«, warf Ruth hastig ein. »Das Flugzeug. Tut mir leid, Cam. Wirklich. Aber meine Füße ... Ich glaube nicht, dass ich noch sehr viel länger durchhalte. Und die Jungs können doch jetzt den Impfstoff für uns verteilen.«
Das könnte ich auch, dachte Cam, bis ihm dämmerte, dass ihr besorgtes Stirnrunzeln den gleichen Gedanken zum Ausdruck brachte.
Sie wollte nicht, dass er zurückblieb, aber er wollte nicht mit ihr in dieses Flugzeug steigen. Sie war seine einzige Hoffnung auf ein einigermaßen normales Aussehen. Er träumte davon, dass sie einen wirksamen neuen Nanobot entwickelte, mit dessen Hilfe sich seine Hautschäden und inneren Verletzungen beseitigen ließen – aber wie realistisch war das? Überhaupt nicht. Es würde Jahre dauern, ehe Wissenschaftler wie sie
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