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Plasma

Plasma

Titel: Plasma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Carlson
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dieser sich zu weit von ihnen entfernt hatte. »Hey«, rief er und dachte an all die Dinge, die es zwischen ihnen noch zu klären gab – Dinge, die er gemeint, aber nie ausgesprochen hatte. »Passen Sie gut auf sich auf«, sagte er.
    Newcombe nickte. »Und ihr geht einfach so weiter wie bisher.“
     
    Plötzlich kamen sie an eine Straße. Zögernd spähte Cam die glatte Asphaltdecke entlang. Die Straße bildete eine schmale, zweispurige Schneise durch den Wald, und die Versuchung, ihr zu folgen, ließ ihn ein paar Schritte zur Seite tun. Ruth, die sich an ihn lehnte, wäre um ein Haar gestürzt. Wieder betrachtete Cam die Straße. Sie würden auf dem ebenen, freien Untergrund viel schneller vom Fleck kommen, aber andererseits waren sie hier weithin sichtbar. Es half nichts. Sie mussten im Schutz der Bäume bleiben.
    »So schnell Sie können«, sagte Cam und zog sie mit. Ihre Stiefel klackten rhythmisch über den Asphalt. In Sekunden waren sie auf der anderen Seite. Cams Blicke wanderten zum Himmel. Die Dämmerung wich allmählich dem Dunkel der Nacht. Er schätzte, dass sie nicht mehr als eine halbe Meile zurückgelegt hatten, doch das war schon mehr als erwartet. Das Gefälle half. Ruth bewegte sich wie eine Marionette, ohne zu registrieren, was sie tat. Sie stützte sich auf ihn und setzte mechanisch einen Fuß vor den anderen. Hin und wieder trat sie ihm gegen das Schienbein.
    Sie stolperten weiter, bis Cam gegen einen Baumstamm krachte. Es war, als wachte er auf. Das reicht, dachte er. Das muss reichen.
    Er führte sie wieder ein Stück bergauf, in eine Gruppe von Jungbäumen, die vermutlich Deckung genug bot, wenn jemand den Berg herunterkam. Außerdem konnte er von hier aus Schritte hören, die sich von der Straße näherten.
    Ruth ließ sich nach hinten fallen und rang nach Luft. Cam streifte seinen Rucksack ab und suchte nach Wasser. Vergeblich. Aber er hatte noch eine Dose mit Suppe, und er fand sogar den Büchsenöffner. Ein Teil der kostbaren Flüssigkeit schwappte heraus, als er den Deckel abknickte.
    »Ruth?«, sagte er. »Ruth!« Zuerst nahm er seine Schutzbrille ab. Die Nachtkälte fühlte sich sonderbar an. Er atmete tief durch, um sicher zu sein, dass er eine Nano-Infektion vor ihr spüren würde. Dann löste er ihre Brille und zog ihr die Jacke aus. Ihre Körperwärme entwich wie ein Phantom.
    Er stützte ihre Wange gegen seine Schulter und half ihr beim Trinken. So vergingen etwa zehn Minuten. Ein kleiner Frieden. Er zerstörte ihn aber selbst. Ihm kam der Gedanke, sie zu küssen. Ganz einfach so. Sie war das einzig Weiche, Sanfte in seiner Welt, und er hatte keine Kraft mehr, irgendeine Abwehr aufrechtzuerhalten.
    Er betrachtete ihre Lippen, immer noch glatt und vollkommen, trotz Schweiß, trotz Schmutz, trotz der tiefen Abdrücke der Gesichtsmaske. Sie reagierte. Ihre Blicke trafen sich, und er sah, dass sie seine Absicht erkannte, diesen Funken von Verlangen in all seiner Erschöpfung und seinen Schmerzen. Er wandte sich ab.
    »Cam.« Ihre Stimme war ein Murmeln. Sie legte ihm die gesunde Hand auf das Bein. »Cam, schau mich an!«
    »Tut mir leid.«
    »Nein.« Ihr Handschuh berührte seine stoppelige, von Narben gezeichnete Wange. »Bitte, Cam! Ich schulde dir so viel.«
    So nicht, dachte er. Ich will keinen Dank.
    »Nur einmal«, fuhr sie fort. »Bitte. Als Glücksbringer.«
    Dann tat sie genau das Falsche – oder Richtige. Sie hob ihr Gesicht und stupste die Nase ganz leicht gegen seinen Wangenknochen, zeigte ihm, wie weich sich ihre Haut anfühlte.
    Cam presste seine Lippen auf die ihren, und der Kuss gab ihm neue Energie. Er löste die Spannung zwischen ihnen.
    Ringsum war alles schlimmer denn je, aber diese eine kleine Geste empfand er als gut und richtig.
    Er schob ihr den Rucksack wie ein Kissen unter und legte die Pistolen griffbereit auf den Boden. Ruth schlief sofort erschöpft ein. Cam beobachtete eine Weile die Sterne über den Baumwipfeln. Einmal berührte er mit der bandagierten Linken seine zerstörten Lippen und die eingesunkene Wange, wo ihm die Zähne fehlten.
    Am nächsten Morgen küsste sie ihn noch einmal. Wortlos schob sie erst ihre und dann seine Maske nach unten und berührte seinen Mund flüchtig mit geschlossenen Lippen. Vielleicht war es gut, dass es so viele wichtigere Dinge zu erledigen gab.
    »Wir müssen Wasser finden«, sagte er.
    »Ja.«
    Ruth blieb dicht neben ihm, als er das Funkgerät aus seinem Rucksack kramte. Er hielt kurz inne und betrachtete sie von

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