Plastikfreie Zone
wollen.
Ganz allgemein stelle ich immer wieder fest, dass sich das Bewusstsein hinsichtlich des Umgangs mit dem »Wegwerfprodukt« Plastik zumindest in unserem direkten Umfeld deutlich verändert hat. Meine Freundin Marianne und ihre Familie, inzwischen ausgesprochen konsequente Plastikvermeider, wurden sogar vom ORF porträtiert. Und auch bei mir gibt es noch immer Anfragen für Interviews und Vorträge.
In vielen Supermärkten unserer Region sind jetzt Bioplastiktaschen zumindest als zusätzliches Angebot erhältlich. Gleichzeitig sehe ich immer öfter Plastiksackerl mit der Aufschrift »recycelbar« oder »aus Recyclingmaterial« und frage mich dann jedes Mal, was uns die Produzenten damit wohl sagen wollen. Recycelbar ist schließlich grundsätzlich so gut wie alles auf irgendeine Weise, und dass Plastiktaschen aus Recyclingmaterial hergestellt sind, macht sie noch lange nicht zur bestmöglichen Option. Bei all diesen Neuerungen ist es oft gar nicht so einfach festzustellen, ob es sich um tatsächliche Verbesserungen oder eher nur um Alibiaktionen handelt. An der grundlegenden Einstellung zum Wegwerfen und Verschwenden hat sich nämlich leider in vielen Bereichen bislang nichts Entscheidendes verändert.
In unserem eigenen Haushalt fällt zwar nach wie vor extrem wenig Müll an und vor allem kaum Plastikmüll, aber diese Reduktion und die damit verbundene Ressourcenersparnis spielt sich, gemessen am weltweiten Verbrauch, wahrscheinlich maximal im Milliardenstelbereich ab. Trotzdem stellt sich die Frage, ob das den Aufwand rechtfertigt, für mich mittlerweile nicht mehr. Die Umstellungen in unserem Einkaufsverhalten sind längst zur Gewohnheit geworden.
Nichtsdestotrotz können unsere individuellen Erfolgserlebnisse nicht darüber hinwegtäuschen, dass es um viel mehr geht, als für ein paar besonders kritische Menschen die optimale Verpackungsform zu finden. Letztlich sollten sich alle Bemühungen darauf richten, die Verantwortlichen aus Politik und Wirtschaft so weit zu bringen, den Einsatz von schädlichen Substanzen und die Verschwendung von Ressourcen zu minimieren, damit schad stoffarmes und auch für die breite Masse umweltverträgliches Einkaufen zur Selbstverständlichkeit werden kann. Allerdings dürfte dafür weitaus mehr notwendig sein als nur die Suche nach individuellen Lösungen. Dazu braucht es gesellschaftliches und politisches Engagement, eine neue Definition von Wohlstand, Solidarität und Lebensqualität und nicht zuletzt viele mutige Menschen.
Trotz solcher Einsichten habe ich den Wunsch und den Ehrgeiz, noch mehr zu bewegen, wobei ich mein Engagement zwischenzeitlich durchaus schon als Bürde empfunden habe. Speziell nach dem letzten erholsamen Urlaub am Meer verspürte ich das Bedürfnis, einfach nur zu leben und mich nicht gleich wieder kopfüber in das Stofftaschenprojekt zu stürzen, das im Herbst seine intensivste Phase erreichte. Andererseits war es jedoch gerade dieser Urlaub, der mir die Notwendigkeit, sich für eine Vermeidung von Plastikmüll einzusetzen, erneut drastisch und dramatisch vor Augen geführt hatte.
Obwohl sich in den letzten zwei Jahren ein bisschen was getan hat, besteht also unvermindert Handlungsbedarf. Und so bin ich oft hin- und hergerissen zwischen dieser Erkenntnis und der Sehnsucht, mich einfach nur mal um mein eigenes Leben, meine Familie, meinen Beruf und meine »Freizeit« zu kümmern. Wenn ich dann aber genauer darüber nachdenke, stelle ich fest, dass sich die Bereiche für mich gar nicht mehr trennen lassen, weil mein Engagement Teil meines Lebens geworden ist. Die Herausforderung besteht also im Grunde genommen darin, das jeweils richtige Maß des persönlichen Einsatzes zu finden und sich dabei seine Lebensfreude und die Fähigkeit, mit Liebe an die Dinge heranzugehen, zu bewahren.
Seit damals, als wir das Experiment starteten, habe ich viele Menschen getroffen, bei denen diese Liebe, diese innere Überzeugung, dieses Gefühl der Verbundenheit oder wie immer man es nennen will, spürbar waren. Solche Momente, in denen ich bemerkte, dass ein Funke übergesprungen, eine Idee auf fruchtbaren Boden gefallen ist, waren und sind für mich der größte persönliche Gewinn. Und sie entschädigen mich reichlich für viele frustrierende und demotivierende Gespräche und Begegnungen, wiegen Ignoranz, Gleichgültigkeit oder Alibiinteresse auf.
Keine Frage: Jeder einzelne dieser Momente ist Grund genug, weiterzumachen.
Danke
Weil ihr mir Raum gegeben
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