Plastikfreie Zone
eineinhalb Jahren von mir Besitz. Ich denke an Menschen, die ich kennen und schätzen gelernt habe, an Diskussionen und Auseinandersetzungen sowie an die vielen Zeichen von Zustimmung und Bestärkung. Einige Freundinnen wurden durch unser Experiment ermutigt, Ähnliches auszuprobieren: Nicole, Marianne, Sabine, Veronika, dazu meine Schwester Kerstin sowie Unzählige, mit denen ich bei Veranstaltungen, Vorträgen oder durch den Weblog in Kontakt kam und die mir durch ihren Zuspruch und ihre Erfahrungen weitergeholfen haben.
Aber auch andere Gedanken und Erinnerungen werden wieder lebendig. Das Bild der hoffnungslos verschmutzten Strände und mein Gefühl der Ohnmacht, die große Masse derer, die sich von den brennenden Problemen in keinster Weise betroffen fühlen oder gar alles lächerlich finden – es waren nicht wenige, die nur auf den geeigneten Moment warteten, mir zu erklären, an der Rettung der Welt seien schon ganz andere Kaliber als ich gescheitert. Und die Millionen Menschen auf diesem Planeten, die das alles deshalb nicht tangiert, weil sie schlicht und einfach um das tägliche Überleben zu kämpfen haben.
In den vergangenen eineinhalb Jahren brachten mich solche Überlegungen mehr als einmal zum Zweifeln und manchmal auch zum Verzweifeln. Doch während ich meine Schritte fest und sicher auf den steiler werdenden Weg setze, spüre ich, wie meine Entschlossenheit wächst. Es geht nicht um die anderen, sondern um mich. Und nicht um die Entscheidungen derjenigen, die es besser oder schlechter getroffen haben als wir – ich kann mich nur auf das konzentrieren, was ich tue. Niemandem ist damit gedient, wenn ich mir ein schlechtes Gewissen einrede, weil es mir und meiner Familie besser geht als Millionen anderen. Es gilt, aus dieser bevorzugten Position heraus Entscheidungen zu treffen und diese immer wieder zu hinterfragen. Und speziell dann, wenn man versucht, »das Richtige« zu tun, ist es oft besonders schwierig.
Ich stelle mir vor, ich erhielte eine Einladung zu einem Vortrag nach Amerika. Wichtige Personen aus Politik und Wirtschaft würden anwesend sein, um meinen Ausführungen zu lauschen. Dazu müsste ich natürlich in ein Flugzeug steigen, was für uns normalerweise aus Prinzip keine Option ist, und zwar ganz unabhängig von unserem Experiment.
Würde ich es tun? Könnte der zu erwartende Nutzen meines Vortrags es rechtfertigen, meinem Prinzip untreu zu werden? Schließlich ist es meine Überzeugung, dass mit jeder individuellen Flugreise Schaden angerichtet wird und dass die Frequenz des Flugverkehrs nur reduziert werden kann, wenn viele Individuen diese Form des Reisens verweigern, anstatt zu denken »Die Maschine fliegt ja sowieso«.
Natürlich vermag niemand diesbezüglich eine zuverlässige Schaden-Nutzen-Rechnung anzustellen, sondern ich müsste nach meinem Gefühl entscheiden und würde – vorausgesetzt ich bekäme meine Flugangst und meine nicht mehr ganz astreinen Englischkenntnisse in den Griff – ziemlich sicher die Reise nach Amerika antreten. Es gibt nun mal nicht für jedes Problem »richtige« und »falsche« Antworten.
Manches allerdings lässt sich eindeutig entscheiden. Sollen wir unsere Geräte im Stand-by-Betrieb laufen lassen? Im Dezember Erdbeeren aus irgendeinem fernen Land kaufen oder den Motor unseres Autos vor einer geschlossenen Bahnschranke laufen lassen? Natürlich nicht. Wenn wir uns die richtigen Fragen stellen, brauchen wir keine Wissenschaftler, keine Studien und keine Zahlen. Dann geht es allein darum, dem, was wir wissen oder fühlen, die entsprechenden Taten folgen zu lassen.
Tief in solche Gedanken versunken merke ich plötzlich, dass ich vom Weg abgekommen bin. Beim Zurückschauen sehe ich noch, wo das war. Der Moment erscheint mir symbolträchtig. Oft sieht man erst im Nachhinein, an welcher Stelle man den richtigen Weg verpasst und die falsche Richtung eingeschlagen hat. Doch selbst wenn einem das passiert, muss man auf dem als falsch erkannten Weg nicht bis zum bitteren Ende weitergehen. Es gibt ein Zurück, und davon abgesehen können Um- und Irrwege bisweilen ganz schön spannend und lehrreich sein. Ich denke, unser Experiment hat uns vor allem deshalb so viel Spaß gemacht, weil es von Anfang an auch »Abwege« zuließ, weil es nicht perfekt war und wir sehr schnell Kompromisse als notwendig erkannten. Ich denke, es war die Einsicht, dass in so gut wie jedem Schraubverschluss zumindest ein kleiner Kunststoffring enthalten ist, die unserem
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