Plastikfreie Zone
wenig traurig, schon in dieser frühen Phase des Experiments Abstriche zu machen. Darüber würde ich mit Peter noch einmal reden müssen. Allerdings sind unsere Gedanken bei der ersten Diskussion über die Bierflaschen ja ebenfalls in diese Richtung gegangen.
Dann sprechen wir über ein besonderes »Bedürfnis«, und zwar das Toilettenpapier. Ein Problem, das mir im Moment im wahrsten Sinne des Wortes am dringlichsten zu sein scheint und bei dem die Kinder die tollsten Ideen liefern. Besonders Leonard hat einen sehr originellen, wenngleich äußerst gewöhnungsbedürftigen Vorschlag parat: »Wir könnten ja die Blätter nehmen, die von den Bäumen gefallen sind.«
Sabine, die als Kindergärtnerin mit erlebnispädagogischem Schwerpunkt die Idee sehr amüsant findet, lacht und meint, da könnten wir es gleich mit der indischen Methode versuchen. Und erklärt auf meinen erstaunten Blick hin: »Na ja, in Indien wird teilweise die linke Hand anstelle von Klopapier verwendet. Hast du das noch nie gehört?«
Nein, habe ich nicht. Außerdem trägt der Vorschlag bestenfalls zur Erheiterung bei, nicht jedoch zur Lösung meines Problems. Und so wenden wir uns nach einer kurzen Lachpause wieder ernsthafteren Überlegungen und Alternativen zu.
Wie wäre es denn mit Zeitungspapier, wie es auch hierzulande zumindest in Zeiten der Plumpsklos üblich war? Allseitiges Naserümpfen, denn abgesehen von der färbenden Druckerschwärze scheinen moderne WCs etwas zu verstopfungsanfällig für eine solche Variante. Da klingt Samuels Vorschlag schon besser. Er meint, wir sollten von unseren recht zahlreichen Besuchern je eine Rolle Klopapier quasi als Eintritt verlangen. Ich fürchte mich dadurch dem Verdacht des Geizes auszusetzen und überdies liebe Freunde zu vergraulen, und lehne bedauernd ab. Mit Marlenes Idee würde man zwar diese Probleme vermeiden, sich aber selbst größten Unbequemlichkeiten aussetzen. »Wir könnten ja einfach nur mehr auswärts aufs Klo gehen«, meint sie grinsend.
Je lustiger unsere Sammlung an Klopapieralternativen wird, desto ferner rückt eine praktikable Lösung des Problems. Dazu gehört ebenfalls eine Idee, die Sabine und mir fast gleichzeitig kommt, sich am Ende jedoch weder als zündend noch als durchführbar erweist. Da wir beide unsere Kinder hauptsächlich mit Stoffwindeln gewickelt haben, fällt uns plötzlich ein, man könnte vielleicht den Windelkübel umfunktionieren, mit Wasser gefüllt neben die Toilette stellen, ein paar Waschlappen danebenlegen und diese alle paar Tage waschen. Nein, lieber nicht. Es ist halt ein Unterschied, ob man es mit einem einzigen Baby zu tun hat oder mit fünf mehr oder weniger großen Menschen, die für jeden Toilettengang mindestens einen Waschlappen brauchen würden. Die Reaktionen unserer Gäste auf diese experimentelle Lösung möchte ich mir gar nicht erst vorstellen. Auch Sabines letzter Vorschlag, Papiertaschentücher statt Klopapier zu verwenden, bringt keinen Durchbruch, weil ich diese bislang ebenfalls nicht ohne Plastikzugabe entdeckt habe.
Es ist zum Verzweifeln. Immerhin verspricht meine Freundin mir, die Augen für mich offen zu halten. Und sie vermittelt mir eine alte Blechmilchkanne, die seit Jahren unbenutzt bei ihrer Mutter herumsteht. Wenigstens ist damit der plastikfreie Milcheinkauf gesichert. Endlich also ein kleiner Erfolg!
Den Rest des Nachmittags verbringen wir damit, uns über den Film zu unterhalten, obwohl Sabine ihn selbst noch nicht gesehen hat. Aber sie weiß einiges darüber und interessiert sich nicht zuletzt für die gesundheitlichen Aspekte. Sie ist, ebenso wie ich einige Tage zuvor, sehr erstaunt darüber, dass es in einem Land wie Österreich tatsächlich keine Garantie für unschädliche Kunststoffprodukte und Verpackungen gibt. Ich erzähle ihr, was Margot Wallström, von 1999 bis 2010 Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und dort einige Jahre lang für Umweltfragen zuständig, in Plastic Planet zu diesem Thema sagt. Ihren Aussagen zufolge war es in zehn Jahren lediglich möglich, elf Substanzen auf ihre Gefährlichkeit zu testen, obwohl es circa 10000 gibt, die bei der Herstellung von Plastik und Kunststoff zur Anwendung kommen.
Die Industrie hat sozusagen den Spieß umgedreht. Anstatt nur Stoffe einzusetzen, deren Unschädlichkeit für Mensch und Natur sicher belegt ist, bedient sie sich hemmungslos bei Materialien, die noch nicht getestet wurden. Das Argument dafür ist so einfach wie fatal: »Niemand kann
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