Plastikfreie Zone
alljährliche Aktionstag zum Thema »Die Kunst, nachhaltig zu leben« statt. Klaus, der Organisator, wohnt in unserer Nähe und möchte, dass wir dort einen eigenen Stand gestalten, der Einblicke in unser Experiment gewährt. Stübing ist ein Museum mit vielen alten Häusern und Bauernhöfen, und insofern passt unser Experiment ausgezeichnet dorthin. Viele unserer »neuen« Lösungen haben wir ja schließlich von »alten« Zeiten abgeschaut.
Während wir mit Klaus darüber beraten, wie wir die Erkenntnisse aus unserem Experiment am besten präsentieren könnten, kommt mir auf einmal eine Idee: unseren riesigen Plastikberg dem gegenüberzustellen, was wir jetzt verwenden. Schließlich ist es eine der wichtigsten Erkenntnisse der letzten Zeit, dass wir mit viel weniger Dingen auskommen als früher. Nachdem Klaus und Peter den Vorschlag abgesegnet haben, beschließen wir, einen richtigen Vorher-nachher-Stand zu bauen. Samuel bietet sich außerdem an, Kinder im Schnitzen und Basteln von Pfeil und Bogen zu unterweisen, was bei den beiden anderen große Begeisterung auslöst.
Für mich ist es ein seltsames Gefühl, unsere ausgemisteten Plastiksachen nach fast einem Dreivierteljahr wieder einmal zu sichten. Ziemlich schnell wird mir klar, dass es unmöglich ist, die gesamte Menge auf dem einen dafür vorgesehenen Tisch aufzubauen, und so entschließen wir uns, nur eine spezielle Auswahl mitzunehmen. Unter anderem Leonards Hot-wheel-Bahn, einen Teil unseres Tupperwaresortiments sowie alle möglichen anderen ausrangierten Küchenartikel. Als Blickfang für den Stand dient ein Plakat, das während unserer Hausräumaktion entstanden ist und uns inmitten unseres gewaltigen Plastikbergs zeigt.
Wie erwartet ist ein Großteil der Menschen, die den Aktionstag besuchen, erst einmal ziemlich überrascht, in der idyllischen Umgebung zwischen all den wunderschönen alten Höfen und Häusern plötzlich einen bunten Plastikhaufen zu entdecken. Manche befürchten sogar, unfreiwillig in eine besondere Art Tupperparty geraten zu sein. Der Nebentisch, auf dem wir unseren alternativen Hausrat aufgebaut haben, fällt den meisten erst auf den zweiten Blick auf, denn die plastikfreien Haushaltsartikel, Pflegeprodukte und Putzmittel sind einfach viel weniger bunt und dadurch von geringerem Aufmerksamkeitswert. Allerdings scheinen einige Besucher unseren Stand für einen Miniflohmarkt zu halten, denn dauernd werden wir nach dem Preis für die Hot-wheel-Bahn gefragt. Von Kindern wie von Erwachsenen.
Ein anderes ganz besonderes Stück verlässt uns auf diese Weise: unsere dreiteilige, hübsch-hässliche Puddingform in drei verschiedenen Grüntönen. Ein Mann stellt sich mir als Tupperwarevertreter vor und erklärt, dass ihm genau dieses Stück in seiner Sammlung fehle und er es nirgends mehr bekommen könne. Er sei bereit, es mir zumindest um den Neuwert abzukaufen. Ich finde das äußerst amüsant und schenke ihm die völlig ungenutzte Form. Die anderen Teile dieser Firma finden hingegen leider keine Liebhaber.
Unsere Kinder genießen den Tag. Speziell Samuel mit seiner Schnitzerei und einigen schon fertig gebastelten Pfeil-und-Bogen-Sets zieht viele bewundernde Blicke auf sich. »Schau, der Bub kann schnitzen!« Oder: »Das hab ich früher auch gemacht!« Für mich ist es eine erstaunliche Erfahrung, dass Menschen, die eigens zu einem Aktionstag über nachhaltigen Lebensstil kommen, ihren Kindern anscheinend nicht zutrauen, sich gewisse Fertigkeiten selbstständig anzueignen. Dass vielen schlicht und einfach die Möglichkeit fehlt, solche Dingen zu lernen, sich mit und in der Natur zu beschäftigen und ein nachwachsendes Material wie Holz zu nutzen und zu gestalten, hat sicher nicht nur damit zu tun, dass sie mit (Plastik-)Spielzeug überhäuft werden. Aber ich bin mir sicher, dass es eine gewisse Rolle spielt. Durch die vielen Fertigspielsachen fehlt einfach der Anreiz, selbst kreativ zu werden, sodass Fähigkeiten verloren gehen oder erst gar nicht entwickelt werden. Und nicht zuletzt bleibt dabei der achtsame Umgang mit der Natur auf der Strecke.
Im Laufe dieses Tages macht sich eine tiefe Dankbarkeit in mir breit. Ich empfinde es als großes Geschenk, dass unsere Kinder mit Sand, Erde, Wasser, Steinen, Blättern, Holz und Schlamm etwas anzufangen wissen, dass sie Lagerfeuer machen, Staudämme an Bächen und geheime Lager im Wald bauen können. All ihre gekauften Spielsachen haben sie nicht davon abgehalten. Sie hatten zum Glück fast
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