Platinblondes Dynamit
verantwortlich war und deshalb, wann immer sie sich begegneten, etwas linkisch und verunsichert auf den tiefen Groll und die bodenlose Verachtung in der Haltung des Beamten reagierte.
„Für Sie ‚Kommissar Meckenheim‘“, knurrte der Polizist.
„Hey, hat man Sie endlich zum Kommissar befördert? Glückwunsch!“
Ja, hatte man. Endlich. Nach zig Anträgen, nach Ablegung sämtlicher Prüfungen mit Bestnote, nach zahllosen Schreiben an den Regierungspräsidenten, nach der Drohung mit Klage und nachdem seine Vorgesetzten über Jahre nichts, aber auch gar nichts unversucht gelassen hatten, ihm aus dem ‚Vorfall am Dom‘ einen Strick zu drehen. Schließlich hatten sie ihn ernennen müssen, und als Resultat saß er nun tagaus, tagein in einem Zehneinhalb-Quadratmeter-Verlies, von dem die wenigsten Kollegen wussten, dass es überhaupt existierte. Doch sein Tag würde kommen, da war sich Emil Meckenheim sicher, und das würde der Tag sein, an dem er Folkmar Windell persönlich die stählerne Acht um die Handgelenke legte und strammzog.
Der Abschleppwagenfahrer zupfte ihn am Ärmel und murmelte etwas, offenbar im Versuch, dabei nicht die Lippen zu bewegen.
„Hab ich das gerade richtig mitbekommen“, erkundigte sich Windell mit einem Unterton von Empörung, „Sie haben sich mein Auto praktisch unter der Nase wegklauen lassen?“
„Daschischer“, zischte der Abschleppwagenfahrer zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und blickte angestrengt in eine Richtung, in der es eigentlich nichts zu sehen gab.
„Moment“, sagte Meckenheim zu Windell und ließ sich ein Stück fortziehen.
„Daschischer“, wiederholte Knochenmüller in fortgesetztem Bemühen seines – neben dem zum Lügen – zweiten mangelnden Talents, dem Bauchreden.
„Das ist wer?“, fragte Meckenheim.
„Daschischer, nä, daschisch ie , schie ! Die Furie, die mich umgeschmiert hat“, raunte der Fahrer etwas klarer.
„Aber, Moment mal – ich habe gleich drei Aussagen, dass es eine Frau war, die Sie attackiert hat. Und obendrein haben Sie den Umstand bis gerade noch geleugnet.“
„Mann, Frau – sind wir hier in Kölle, oder wo?“
Ein Ruck ging durch den Kommissar. Unwillkürlich tastete er nach den Handschellen an seinem Gürtel, nach der Dienstwaffe in ihrem Holster. „Also“, er hob die Stimme, „Sie beschuldigen hiermit diesen Mann dort“, Meckenheim zielte mit ausgestrecktem Arm und Fingerauf Windells verständnislosen Gesichtsausdruck, „Sie in Ausübung Ihrer von behördlicher Seite angeordneten Tätigkeit attackiert und erheblich verletzt und im direkten Anschluss das von Ihnen beschlagnahmte Fahrzeug entwendet und zur Flucht genutzt zu haben?“
Arthur Knochenmüller achtete darauf, den Kommissar sicher zwischen sich und dem Beschuldigten zu haben, bevor er mit fester Stimme „Jawohl“, sagte. Seine beiden Brüder würden sich für den Rest ihrer Tage nicht mehr darüber einkriegen, dass er von einer Transe vermöbelt worden war, aber Schmerzensgeld ist Schmerzensgeld und da war ja auch noch die Frage der kaputten Scheiben am LKW. Von den Kosten der Anfahrt mal ganz zu schweigen. „Er war’s, hundertprozentig. Buchten Sie ihn ein. Der ist gefährlich.“
Und Emil Meckenheim sprach die Worte, die ihm schon seit Jahren unter den Nägeln brannten, die er schon hunderte von Malen in fiebrigen Träumen gesprochen hatte: „Folkmar Windell, Sie sind hiermit verhaftet.“
Wo blieb nur Knochenmüller? Im absoluten Halteverbot abgestellt, halb auf einer schraffierten Fläche und mit zwei Reifen eindeutig auf der unter allen Umständen freizuhaltenden Rampe zum Rhein, schrie dieses Fahrzeug nur so danach, abgeschleppt zu werden. Polizeiobermeisterin Sabrina Zahn war noch mit dem Ausfüllen des Formulars für die Beweisaufnahme beschäftigt, als sie aus dem Augenwinkel ein schlecht beleuchtetes Fahrzeug wahrnahm, das mit hoher, ja – gemessen am Zustand der unebenen Straßenoberfläche aus Blaubasalt-Kopfsteinpflaster –, halsbrecherischer Geschwindigkeit näher kam. Der Wagen passierte eine Laterne und sie erkannte ihn unzweifelhaft als den Volkswagen, der sich vorhin der Beschlagnahme entzogen hatte und der nun, wie man ihr per Funk mitgeteilt hatte, zur Fahndung ausgeschrieben war. Polizeiobermeisterin Zahn hob den Arm und stellte sich dem Käfer in den Weg.
Dies war nicht sein Tag, und seine Nacht war es auch nicht, dämmerte Kommissar Meckenheim mehr und mehr. Er rannte. Und er haderte. Er rannte zum nächsten
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