Platon in Bagdad
Blatt des Palimpsests aus seinem Nachlass an die Bibliothek der Cambridge University verkauft. Nigel Wilson, ein Professor am Lincoln College in Oxford, untersuchte es 1971 und stellte fest, dass es Teil des sogenannten Archimedes-Palimpsests ist.
Kurz nach Heibergs Entdeckung verschwand das Palimpsest aus dem Metochion, vermutlich wurde es in den Wirren des untergehenden Osmanischen Reiches und der Gründung der Türkischen Republik 1923 gestohlen. Anfang der 1920er-Jahre erwarb Marie Louis Sirieix, ein französischer Geschäftsmann und Beamter, das Palimpsest und schenkte es 1946 seiner Tochter Anne Guersan zur Hochzeit, die das Euchologion restaurieren und ihm nachweislich gefälschte Bilder der vier Evangelisten hinzufügen ließ, wie Nigel Wilson schreibt, ein »katastrophal fehlgeleiteter Versuch, die Handschrift zu verschönern, vermutlich um ihren Wert in den Augen eines möglichen Käufers zu erhöhen«. Die Guersans ließen das Palimpsest am 29. Oktober 1998 bei Christie’s in New York versteigern, wo es ein anonymer Käufer für 2 Millionen Dollar erwarb. Das Jerusalemer Patriarchat focht die Auktion an, doch ein New Yorker Gericht entschied, dass der Verkauf legal war.
Im Januar 1999 übergab der anonyme Käufer das Palimpsest dem Walters Art Museum in Baltimore zur Aufbewahrung und stellte Gelder für Konservierung, digitale Erschließung und wissenschaftliche Untersuchung der Handschrift zur Verfügung. Eine Gruppe von Wissenschaftlern des Rochester Institute of Technology und der Johns Hopkins University untersuchte den zuunterst liegenden Text mit digitalen Bildgebungsverfahren. Im Mai 2005 wurde das Palimpsest im Linearbeschleunigerzentrum der Stanford University in Kalifornien einer hochkonzentrierten Röntgenbestrahlung unterzogen, wodurch Teile dieses Texts lesbar wurden, die zuvor nicht entschlüsselt werden konnten.
2002 entzifferte Professor John Lowden vom Londoner CourtauldInstitute ein Kolophon mit dem Datum der Widmung des auf den wiederverwerteten alten Handschriften geschriebenen Euchologions, dem 13. April 1229. Das Palimpsest, heute als Kodex C bezeichnet, enthält Teile von sieben Abhandlungen von Archimedes sowie Seiten von vier anderen Werken, darunter die des attischen Redners Hypereides aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. Die archimedischen Schriften umfassen den fast vollständigen Text der zuvor unbekannten
Methodenlehre
; einen großen Teil von
Über schwimmende Körper
, dessen griechisches Original verschollen war; eine Seite aus dem
Stomachion
, einem weiteren unbekannten Werk von Archimedes; und Fragmente von
Über Kugel und Zylinder, Über Spiralen, Über Kreismessung
und
Über das Gleichgewicht ebener Flächen.
Somit überschneidet sich Kodex C hinsichtlich mehrerer Werke mit den Kodizes A und B: Mit A hat es
Über Spiralen, Über Kugel und Zylinder
und
Über Kreismessung
gemeinsam, mit B
Über schwimmende Körper
. Untersuchungen zufolge wurden die archimedischen Texte im Kodex C in der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts aufgeschrieben, mit hoher Wahrscheinlichkeit in Konstantinopel.
Das bei Weitem wichtigste dieser Werke ist die
Methodenlehre
, mit vollständigem Titel
Des Archimedes Methodenlehre von den mechanischen Lehrsätzen, an Eratosthenes
. Im Gespräch mit Eratosthenes, dem Leiter der Bibliothek von Alexandria, erklärt Archimedes, wie er zu den Schlüssen gelangte, aus denen er seine Lehrsätze ableitete: »… so habe ich es für gut befunden, dir auseinanderzusetzen und in dieses selbe niederzulegen eine eigentümliche Methode, wodurch die Möglichkeit gegeben werden wird, eine Anleitung herzunehmen, um einige mathematische Fragen durch die Mechanik zu untersuchen.«
Archimedes verwendete eine mechanische Methode, bei der er geometrische Figuren mathematisch »abwog«, als wären sie Gewichte auf einer Waage, und eine Figur mit unbekannter Fläche mit einer anderen verglich, deren Fläche schon bekannt war. Dann bestimmte er unter Verwendung des Hebelgesetzes die unbekannteFläche aus der bereits bekannten Fläche. Schließlich erweiterte er die Methode auf drei Dimensionen zur Bestimmung von Volumen, wie er im zweiten Merksatz der
Methodenlehre
darlegt: »Der Zylinder, dessen Grundfläche dem größten Kreis einer Kugel gleich ist, die Höhe aber dem Durchmesser des Kreises, ist 3/2 der Kugel [der Fläche nach].« Es war sein Lieblingslehrsatz, den er auch in einem Relief auf seinem Grabstein darstellen ließ. Cicero entdeckte diesen Stein 75 v. Chr., als
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