Platon in Bagdad
Theorien Rom erreicht hatten. Nachdem Tod Clemens’ VII. am 15. September 1534 trat Widmannstetter in den Dienst des Kardinals Nikolaus Schönberg, der als Nuntius des Papstes in Preußen und Polen sicherlich schon von Kopernikus gehört hatte. Schönberg schrieb am 1. November 1536 an Kopernikus – den Brief verfasste möglicherweise Widmannstetter – und drängte ihn, ein Buch über seine neue Kosmologie zu veröffentlichen und ihm ein Exemplar zukommen zu lassen.
Dennoch machte Kopernikus keine Anstalten zur Veröffentlichung seiner Forschungen, aber im Frühjahr 1539 änderte er seine Haltung, als er unerwarteten Besuch von einem jungen deutschen Gelehrten erhielt: Georg Joachim von Lauchen, der sich Rhetikus nannte (1514 – 1574). Rhetikus, erst 25 Jahre alt, war Professor für Mathematik an der protestantischen Universität Wittenberg. Er erzählte Kopernikus von seinem großen Interesse an dessen neuer Kosmologie, und Kopernikus nahm ihn freundlich auf und gestattete ihm, das Manuskript, das er zur Erläuterung seiner Theorien verfasst hatte, zu lesen. In den folgenden zehn Wochen studierte Rhetikus zusammen mit Kopernikus das Manuskript und fasste es dann in einer Schrift mit dem Titel
Narratio prima
(Erster Bericht) zusammen, die als Einführung in die Theorien des Kopernikus gedacht war. Diese war in Form eines Briefes von Rhetikus an seinen Freund Johann Schöner abgefasst, bei dem er in Wittenberg studiert hatte. 1540 wurde
Narratio prima
in Danzig mit Kopernikus’ Zustimmung veröffentlicht, den Rhetikus im einleitenden Teil, wo er die Tragweite der kopernikanischen Kosmologie darlegt, als »meinen Lehrer« bezeichnet.
Er geht dann auf jedes Buch im Detail ein und gibt im Anschluss daran in dem Kapitel »Über die Exzentrizität und die Bewegung des Sonnenapogäums« eine eigene astrologische Vorhersage ab. Rhetikus war überzeugt, dass die Weltgeschichte demselben Zyklus folgte wie die Exzentrizität der Sonnenumlaufbahn (von der Erde aus beobachtet) und dass die Vollendung ihres nächsten Zyklus mit dem Untergang des muslimischen Glaubens zusammenfallenwerde. Und dann werde Folgendes geschehen: »Wenn aber der Mittelpunkt des Exzenters zur anderen Grenze der unteren Beträge gelangen wird, so wird, wie wir hoffen, unser Herr Jesus Christus erscheinen, denn an dieser Stelle war er um die Zeit der Weltschöpfung …«
Die heliozentrische Theorie erwähnt Rhetikus erst nach dem zweiten Abschnitt, der den Titel trägt »Allgemeine Betrachtung der Bewegung des Mondes in Verbindung mit seinen neuen Hypothesen«. Dort heißt es, dass das neue Modell die retrograde Bewegung der Planeten erkläre, da »die Sonne den Mittelpunkt des Universums einnimmt, die Erde aber an Stelle der Sonne in einem Exzenter … umläuft«.
Narratio prima
erwies sich als so beliebt, dass im folgenden Jahr in Basel eine zweite Auflage gedruckt wurde. Doch Kopernikus zögerte noch mit der Veröffentlichung seines Manuskripts und hinterlegte es zur sicheren Verwahrung bei seinem alten Freund Tiedemann Giese, dem Bischof von Kulm. 1541 schließlich erteilte Kopernikus Giese die Erlaubnis, sein Manuskript Rhetikus zuzusenden, der es zur Veröffentlichung in die Druckerei von Johannes Petrejus nach Nürnberg bringen sollte. Das Buch sollte den Titel
De revolutionibus orbium coelestium libri VI
(Sechs Bücher über die Umschwünge der himmlischen Kreise) tragen, der daher rührte, dass die Himmelskörper nach Kopernikus’ Ansicht in kristalline Hüllen – oder vielmehr Kugelschalen – eingebettet waren, so wie sie schon Aristoteles erdacht hatte, auch wenn sie sich bei ihm um die Sonne drehten und nicht um die Erde.
Gegen Ende des folgenden Jahres erlitt Kopernikus mehrere Schlaganfälle, die zu einer halbseitigen Lähmung führten, und seinen Freunden wurde klar, dass er nicht mehr lange zu leben hatte. Am 8. Dezember 1542 schrieb Tiedemann Giese an Georg Donner, einen der Domherren in Frauenburg, und bat ihn, Kopernikus in seiner letzten Krankheit beizustehen.
Ich weiß aber, dass er Dich immer zu seinen treuesten Freunden gezählt hat. Ich bitte Dich daher, Dich seiner anzunehmen, wenn es notwendig werden sollte, und die Sorge für den Mann, den Du wie ich immer geliebt hast, zu übernehmen, damit er in dieser Bedrängnis der brüderlichen Hilfe nicht entbehre und wir als undankbar gegen diesen verdienten Mann befunden werden.
Indessen musste sich Rhetikus im Mai 1542 von der Universität Wittenberg beurlauben lassen,
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