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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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um den Druck von
De revolutionibus
in Nürnberg zu beaufsichtigen. Fünf Monate später verließ er Nürnberg, um eine Anstellung an der Universität Leipzig zu übernehmen, und überließ die Verantwortung für das Buch Andreas Osiander, einem lutherischen Geistlichen vor Ort. Osiander fühlte sich bemüßigt, eine anonyme Vorrede mit dem Titel »Ad lectorem« (An den Leser) hinzuzufügen, die für einige Kontroversen über die kopernikanische Theorie sorgen sollte.
    Im Frühjahr 1543 kam
De revolutionibus
endlich auf den Markt, mit einer Verlagsanpreisung, vermutlich auch von Osiander, die gleich unter dem Titel abgedruckt war:

    Du findest vor, eifriger Leser, in diesem eben erst entstandenen und herausgegebenen Werk die Sternbewegungen, der festen ebenso wie der Wandelsterne, aus alten wie auch aus neuen Beobachtungen erneut dargestellt und darüber hinaus mit neuartigen, erstaunlichen erklärenden Annahmen versehen. Du findest auch brauchbarste Tabellen, nach denen Du sie zu beliebiger Zeit aufs leichteste berechnen kannst. Also kaufe, lies, genieße.

    Das erste gedruckte Exemplar von
De revolutionibus
wurde Kopernikus zugeschickt und es ist überliefert, dass es ihn wenige Stunden vor seinem Tod am 24. Mai 1543 erreichte. Tiedemann Giese schrieb in einem Brief an Rhetikus, dass Kopernikus

    … schon viele Tage vorher Gedächtnis und geistige Regsamkeit geschwunden waren. Das Werk in seiner Vollendung hat er nur beim letzten Atemzuge gesehen an demselben Tage, an dem er verschieden ist.

    Die Vorrede zu
De revolutionibus
, das von Osiander geschriebene »ad lectorem«, wendet sich »An den Leser betreffs der Hypothesen dieses Werks«. Darin heißt es, dass das Buch als mathematisches Instrument zur Berechnung gedacht ist und nicht zur tatsächlichen Beschreibung der Natur. Das »ad lectorem« sollte die Kritik derjenigen abweisen, die glaubten, dass die heliozentrische Kosmologie der Bibel widersprach, besonders dem Abschnitt im Buch Josua, wo es heißt: »So blieb die Sonne stehen mitten am Himmel und beeilte sich nicht unterzugehen fast einen ganzen Tag.« Martin Luther war in Bezug auf die kopernikanische Theorie bereits wie folgt zitiert worden: »Die Leute schenken ihr Ohr einem Astrologen, der zeigen möchte, daß sich die Erde dreht, nicht der Himmel oder das Firmament, die Sonne oder der Mond … Dieser Dummkopf möchte die gesamte Astronomie umstürzen, doch die Heilige Schrift sagt uns, daß Josua die Sonne stillstehen hieß und nicht die Erde.« Kopernikus selbst hatte solche Kritik befürchtet, das zeigt das Vorwort, das er Papst Paul III. widmet: »Heiligster Vater, ich kann mir zur Genüge denken, dass gewisse Leute, sobald sie erfahren, dass ich in diesen meinen Büchern, die ich über die Kreisbewegungen der Weltkörper geschrieben habe, der Erdkugel gewisse Bewegungen beilege, sogleich erklären möchten, ich sei mit solcher Meinung zu verwerfen.«
    Die ersten acht Kapitel des ersten Buches von
De revolutionibus
geben eine äußerst vereinfachte Beschreibung der kopernikanischen Kosmologie und der ihr zugrunde liegenden Philosophie. Zunächst nennt Kopernikus Argumente für die Kugelform des Universums, die Kugelgestalt der Erde, des Mondes, der Sonne und der Planeten und für die gleichmäßige Kreisbewegung der Himmelskörper um die Sonne. Er zeigt, dass die Rotation der Erde um ihre Achse, bei gleichzeitiger Drehung um die Sonne, mühelos die beobachteten Bewegungen der Himmelskörper erklärt. Das Fehlen der Sternparallaxe führt er darauf zurück, dass der Radius der Umlaufbahn der Erde im Vergleich zu ihrer Entfernung zu den Fixsternen unwesentlich klein ist. Dann widerlegt er alle physikalischen Argumente gegen die Erdbewegung, zumeist unter Verwendung der Erklärungen von Nikolaus Cusanus.

    Das heliozentrische Weltbild des Kopernikus (aus
De revolutionibus,
1543).
    Kapitel 9 trägt den Titel: »Ob der Erde mehrere Bewegungen beigelegt werden können? und vom Mittelpunkte der Welt«. Hier verwirft Kopernikus die Theorie des Aristoteles von der Erde als der einzigen Quelle der Gravitation und wagt stattdessen einen ersten Schritt zur Newtonschen Theorie der universellen Gravitation, indem er schreibt: »Ich bin wenigstens der Ansicht, dass die Schwere nichts Anderes ist, als ein von der göttlichen Vorsehung desWeltenmeisters den Theilen eingepflanztes, natürliches Streben, vermöge dessen sie dadurch, dass sie sich zur Form einer Kugel zusammenschließen, ihre Einheit und Ganzheit

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