Platon in Bagdad
bilden.«
Kapitel 10 trägt den Titel: »Über die Ordnung der Himmelskreise«. Hier beseitigt Kopernikus die Unklarheit in Bezug auf Merkur und Venus, die im ptolemäischen Modell manchmal »über« und manchmal »unter« der Sonne platziert wurden. Im kopernikanischen System ist Merkur der Sonne am nächsten, gefolgt von Venus, Erde, Mars, Jupiter und Saturn, die von der Sphäre der Fixsterne umgeben sind, und der Mond umkreist wiederum die Erde. Dieses Modell ist einfacher und harmonischer als das des Ptolemaios, denn alle Planeten drehen sich in dieselbe Richtung, wobei ihre Geschwindigkeit mit der Entfernung von der Sonne geringer wird, die wiederum im Mittelpunkt des Kosmos thront.
In der Mitte aber von Allen steht die Sonne. Denn wer möchte in diesem schönsten Tempel diese Leuchte an einen andern oder bessern Ort setzen, als von wo aus sie das Ganze zugleich erleuchten kann? Wenn anders nicht unpassend Einige sie die Leuchte der Welt, Andere die Seele, noch andere den Regierer nennen … So lenkt in der That die Sonne, auf dem königlichen Throne sitzend, die sie umkreisende Familie der Gestirne.
Kapitel 11 ist ein »Beweis von der dreifachen Bewegung der Erde«, während die übrigen drei Kapitel des ersten Buches die Anwendung der ebenen und sphärischen Geometrie und der Trigonometrie auf die Astronomie darstellen. Die drei Bewegungen, auf die Kopernikus sich bezieht, sind die Rotation der Erde um ihre Achse, ihre Drehung um die Sonne sowie eine dritte Kegelbewegung, die er einführte, damit die Erdachse während der jährlichen Rotation der kristallinen Sphäre, in die sie eingebettet ist, in dieselbe Richtung weist. Den Zeitraum dieser vermeintlichen dritten Bewegung hielt er für leicht abweichend von der für die Umrundung der Sonne benötigten Zeit, wobei er die Differenz auf die sehr langsame Präzession der Tagundnachtgleichen zurückführte.
Das zweite Buch gibt eine detaillierte Einführung in die Astronomie und die sphärische Trigonometrie und enthält mathematische Tabellen und ein Verzeichnis der Himmelskoordinaten von 1024 Sternen, von denen die meisten von Ptolemaios abgeleitet und auf die Präzession der Äquinoktien angepasst sind.
Das dritte Buch befasst sich mit der Präzession (»dem Vorrücken«) der Tagundnachtgleichen und der Bewegung der Erde um die Sonne. Hier wird die Theorie unnötig kompliziert, weil Kopernikus nicht nur die Präzession mit seiner »dritten Bewegung« der Erde verknüpft, sondern auch zwei Annahmen seiner Vorgänger übernahm, von denen eine falsch war. Die erste Annahme war die irrige, von der Trepidationstheorie abgeleitete Theorie, dass die Präzession nicht konstant, sondern ungleichmäßig sei; die andere war die Abweichung der Schiefe der Ekliptik.
Im vierten Buch geht es um die Bewegung des Mondes um die Erde; das fünfte und das sechste Buch behandeln die Planetenbewegungen. Hier wie auch bei den Bewegungen der Sonne verwendete Kopernikus ganz wie Ptolemaios Exzenter und Epizykel, doch seine Überzeugung, dass die Himmelsbewegungen Kombinationen aus Kreisbewegungen mit konstanter Winkelbeschleunigung waren, hielt ihn davon ab, auf den ptolemäischen Äquanten zurückzugreifen. Wegen der Komplexität der Himmelsbewegungen musste Kopernikus in etwa genauso viele Kreise wie Ptolemaios einsetzen, und so unterschieden sich die beiden Modelle kaum in ihrer Ökonomie und führten auch zu ähnlich genauen Ergebnissen. Doch das kopernikanische System hatte mehrere Vorzüge: Es war harmonisch, es hob die Unklarheit bezüglich der Anordnung der inneren Planeten auf, es erklärte die rückläufige Bewegung der Planeten sowie ihre Variation bezüglich der Helligkeit, und es ermöglichte die Bestimmung der Anordnung wie auch der relativen Größe der Planetenbahnen anhand von Beobachtungen und ohne zusätzliche Annahmen.
Kopernikus erwähnt einige arabische Astronomen, auf derenBeobachtungen und Theorien er sich in
De revolutionibus
stützte, vor allem al-Battani, al-Bitrudschi, al-Zarqali, Ibn Ruschd (Averroës) und Thabit ibn Qurra. Doch Nasr al-Din al-Tusi oder Ibn asch-Schatir bleiben unerwähnt. Dabei haben aktuelle Forschungen gezeigt, dass er auf eine von ihnen entwickelte mathematische Methode zurückgriff, das sogenannte Tusi-Paar, das im 4. Kapitel des dritten Buches auftaucht. Es gibt zwar keinen eindeutigen Beweis dafür, dass Kopernikus von al-Tusi oder asch-Schatir wusste, doch man geht heute davon aus, dass er ihre Werke kannte, weil sie auch
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