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Platon in Bagdad

Platon in Bagdad

Titel: Platon in Bagdad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Freely
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einigen seiner Zeitgenossen bekannt waren.
    In
De revolutionibus
gibt es drei Verweise auf Aristarch von Samos: zwei Mal in Bezug auf die Messungen der Schiefe der Ekliptik durch seine Vorgänger und ein Mal bezüglich seiner Messung der Länge des Sonnenjahres. Doch nirgends ist erwähnt, dass Aristarch in der Mitte des 3. Jahrhunderts v. Chr. behauptet hatte, dass die Sonne und nicht die Erde der Mittelpunkt des Kosmos sei. In seinem Originalmanuskript hatte Kopernikus auf die heliozentrische Theorie des Aristarch verwiesen, doch in der 1543 gedruckten Ausgabe von
De revolutionibus
hatte er diesen Verweis gelöscht. Der gestrichene Abschnitt im letzten Absatz des 11. Kapitels des ersten Buches lautet:

    Und wenn wir schon zugeben wollten, dass die Sonnen- und Mondbahn auch bei Annahme von Unbeweglichkeit der Erde dargestellt werden können, im Fall der übrigen Wandersterne will sich das dagegen nicht fügen. Glaubhaft ist, daß aus diesem und ähnlichen Gründen
Philolaus
die Bewegbarkeit der Erde angesetzt habe, und in diesem Punkt sei
Aristarch
von Samos gleicher Auffassung gewesen, so berichten einige, die durch die Begründung nicht beeindruckt wurden, welche
Aristoteles
anführt und zurückweist.

    Wie man weiß, besaß Kopernikus ein Exemplar von Giorgio Vallas
De expetendis et fugiendis rebus opus
, gedruckt 1504 von Aldus Manutius in Venedig, das eine Übersetzung eines Werks des Aëtius (Pseudo-Plutarch) mit zwei Verweisen auf Aristarch enthielt. Indem einen heißt es, Aristarch »geht davon aus, dass der Himmel still steht, während sich die Erde entlang der Ekliptik bewegt und gleichzeitig um ihre eigene Achse dreht«; dem anderen zufolge besagt seine Theorie, dass die Erde »sich dreht und umkreist, was Seleukos später als eine feststehende Meinung anbot«.
    Mit fast völliger Sicherheit kannte Kopernikus Archimedes’
Sandzahl
, das den ersten Verweis auf die heliozentrische Theorie des Aristarch enthält. Dort behauptet Archimedes, dass Aristarch das Fehlen der Sternparallaxe in seiner heliozentrischen Theorie mit der Annahme erklärt, dass der Radius der Umlaufbahn der Erde um die Sonne im Vergleich zur Entfernung der Sterne zu vernachlässigen ist. Das ist im Grunde dieselbe Erklärung, die Kopernikus im
Commentariolus
angibt, wo er im vierten seiner Grundsätze behauptet: »Das Verhältnis der Entfernung Sonne-Erde zur Höhe des Fixsternhimmels ist … unmerklich …« Kopernikus verwendet dasselbe Argument in
De revolutionibus
, wo er am Ende des ersten Buches im 10. Kapitel der retrograden Bewegung der Planeten die unveränderliche Anordnung der Sterne gegenüberstellt und bemerkt: »So groß ist in der That diese göttliche, beste und größte Werkstatt!«
    Somit kann man davon ausgehen, dass Kopernikus Aristarchs heliozentrische Theorie kannte. Möglicherweise erwähnte er sie deshalb in
De revolutionibus
nicht, um sein eigenes Lebenswerk nicht zu schmälern, denn er hatte die Himmelskörper um die Sonne in Bewegung gesetzt und nicht um die Erde.
    Nach der Veröffentlichung von
De revolutionibus
war die Kosmologie nie mehr wie zuvor. Das Weltbild hatte sich unwiderruflich verändert – und es hatte eine geistige Revolution stattgefunden. Ausgelöst hatte sie ein unbekannter Domherr, der in einem, wie er es nannte, »sehr entlegenen Winkel der Erde« ganz für sich allein arbeitete und eine Theorie wieder aufgriff, die 1800 Jahre zuvor ein fast vergessener griechischer Astronom ersonnen hatte.

HELIOZENTRISCHES VERSUS
GEOZENTRISCHES WELTBILD
    P ostum erhielt Kopernikus große Anerkennung für sein Buch
De revolutionibus
, doch galt das Lob vor allem der erfolgreichen mathematischen Beschreibung der Bewegung der Himmelskörper und nicht seiner Kosmologie, in der er die Sonne in den Mittelpunkt gerückt hatte.
    Die ersten astronomischen Tafeln, die auf der kopernikanischen Theorie beruhten, erstellte Erasmus Reinhold (1511 – 1553), der zur selben Zeit wie Rhetikus Professor der Mathematik an der Universität Wittenberg war. Vermutlich hatte Rhetikus ihm das Manuskript von
De revolutionibus
gezeigt, als er im September 1541 damit nach Wittenberg zurückkehrte. Im folgenden Jahr veröffentlichte Reinhold seinen Kommentar zu Peuerbachs
Theoricae novae planetarum
, wo er in seinem Vorwort über Kopernikus schrieb, »daß ein neuerer ausgezeichneter Meister, welcher allseitig eine große Erwartung von sich rege gemacht hat …, eine Neugestaltung der Astronomie anstrebt …« Reinhold machte sich

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