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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Vietnam. «
        »Fürchtest du dich nicht vor der Konkurrenz?« fragte ich.
        »Da besteht keine Gefahr. Die amerikanischen Hotelketten würden es nie wagen, in so etwas einzusteigen, der puritanische Einfluß in den USA ist viel zu stark. Erst habe ich mich ein bißchen vor der Reaktion der französischen Presse gefürchtet; aber bisher hat sich da nichts getan. Allerdings haben wir auch vor allem Kunden aus dem Ausland; in Deutschland und in Italien geht man mit solchen Themen ruhiger um. «
        » Dann bist du bald der größte Zuhälter der Welt... «
        »Nein, kein Zuhälter«, protestierte er. »Wir sind am Verdienst der Mädchen nicht beteiligt; wir lassen sie nur arbeiten, das ist alles.«
        »Und außerdem läuft das getrennt«, warf Valérie ein, »die Mädchen sind nicht vom Hotel angestellt. «
        »Na ja, das kommt darauf an...«, sagte Jean-Yves zögernd. »Hier läuft das getrennt; aber ich habe gehört, daß in Santo Domingo die Kellnerinnen ohne Schwierigkeiten mit aufs Zimmer gehen.«
    »Aber das tun sie freiwillig. «
    »Allerdings, und anscheinend sogar nicht ungern. «
        »Na gut ...«, Valérie breitete die Arme aus, als wolle sie die ganze Welt mit einer versöhnlichen Geste umschlingen. »Laß dich nicht von irgendwelchen Heuchlern irre machen. Du bringst die Sache in Gang, baust die Infrastruktur auf und stellst das Know-how von Aurore zur Verfügung, das ist alles.«

    Der Kellner brachte eine Suppe mit Zitronengras. An den Nachbartischen saßen deutsche und italienische Männer, jeweils in Begleitung einer Thai, und ein paar deutsche Paare - in Begleitung oder nicht. Sie schienen sich alle recht gut zu vertra gen, ohne sichtbare Probleme, und all das in einer von Sinnenlust geprägten Atmosphäre; der Job als Geschäftsführer des Clubs versprach eher leicht zu werden.
        »Ihr wollt also wirklich hierbleiben...«, sagte Jean-Yves; er hatte offenkundig große Mühe, es zu glauben. »Das wundert mich; na ja, einerseits kann ich es wohl verstehen, aber... mich wundert, daß du darauf verzichtest, mehr Geld zu verdienen.«
        »Und was soll ich mit mehr Geld?« fragte Valérie sehr deutlich. »Soll ich mir Prada-Taschen kaufen? Das Wochenende in Budapest verbringen? Weiße Trüffel essen, wenn die Saison dafür da ist? Ich habe viel Geld verdient, ich weiß nicht einmal mehr, was ich damit angefangen habe : Vermutlich habe ich es für solchen oder ähnlichen Quatsch ausgegeben. Und du, weißt du denn, was du mit deinem Geld anfängst?«
        »Tja...« Er dachte nach. »Ich glaube, bisher hat wohl Audrey das meiste ausgegeben. «
        »Audrey ist bescheuert«, erwiderte sie erbarmungslos. »Zum Glück läßt du dich bald scheiden. Das ist die klügste Entscheidung, die du je getroffen hast. «
        »Du hast recht, im Grunde ist sie wirklich bescheuert...«, erwiderte er ohne Hemmungen. Er lächelte, zögerte einen Augenblick. »Valérie, du bist wirklich ziemlich seltsam. «
        »Nicht ich bin seltsam, sondern die Welt, die uns umgibt. Hast du tatsächlich Lust, dir ein Ferrari-Cabriolet zu kaufen? Oder ein Wochenendhaus in Deauville - in das garantiert regelmäßig eingebrochen wird? Bis zum Alter von sechzig Jahren neunzig Stunden in der Woche zu arbeiten? Die Hälfte deines Gehalts für die Steuer abzugeben, um Militäraktionen im Kosovo oder Programme zur Lösung sozialer Probleme der Vorstädte zu finanzieren? Wir fühlen uns hier wohl ; wir haben alles, was wir brauchen. Das einzige, was einem die westliche Welt zu bieten hat, sind Markenprodukte. Wenn du an Markenprodukte glaubst, bleibst du besser im Westen; ansonsten gibt es hier in Thailand ausgezeichnete Imitate.«
        »Das Seltsame an der Sache ist deine Einstellung; du hast jahrelang im Westen gearbeitet, ohne je an die Wertvorstellung dieser Gesellschaft zu glauben.«
        » Ich verhalte mich ein bißchen wie ein Raubtier«, erwiderte sie ruhig. »Ein kleines, nettes Raubtier - ich habe keine großen Bedürfnisse; bisher habe ich nur gearbeitet, um Geld zu verdienen; jetzt möchte ich endlich anfangen zu leben. Ich verstehe im übrigen die anderen nicht: Was hindert zum Beispiel dich, hier zu leben? Du könntest gut eine Thai heiraten: Sie sind hübsch, liebevoll und gut im Bett; manche sprechen sogar ein bißchen französisch.«
        »Tja ...« Er zögerte wieder. »Bisher schlafe ich noch lieber jeden Abend mit einer anderen Frau.

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