Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plattform

Plattform

Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
Vom Netzwerk:
Brustwarze ihrer linken Brust sehen) und einer an den Schenkeln weit ausgeschnittenen Tangaform. Sie nickte mir zu, ehe sie an den Rand des Beckens zu Babette ging; als sie sich umdrehte, stellte ich fest, daß sie einen perfekt geformten Hintern hatte. Die beiden waren mir anfangs mit Mißtrauen begegnet; aber seit ich sie auf der Fähre angesprochen hatte, müssen sie wohl daraus gefolgert haben, daß ich ein harmloser und eher unterhaltsamer Mensch bin. Sie hatten recht: das traf in etwa zu.
        Sie sprangen gleichzeitig ins Wasser. Ich wandte den Kopf ab und ließ den Blick schweifen. Am Nachbartisch saß ein Mann, der Robert Hue unglaublich glich. Einmal naß, war Babettes Badeanzug in der Tat aufsehenerregend: Man konnte die Brustwarzen und die Arschspalte genau erkennen; man sah sogar die sich leicht abhebende Masse der Schamhaare, auch wenn sie die ziemlich kurz geschnitten hatte. Währenddessen arbeiteten andere Leute, produzierten nützliche Dinge; oder auch manchmal nutzlose Dinge. Aber sie produzierten. Was hatte ich selbst während meines vierzigjährigen Daseins produziert? Ehrlich gesagt, nicht viel. Ich hatte Informationen zusammengestellt, dafür gesorgt, daß man sie leichter abrufen und übermitteln konnte, manchmal hatte ich auch Gelder transferiert (in bescheidenem Maße : Ich hatte mich damit begnügt, Rechnungen zu bezahlen, die im allgemeinen nicht sehr hoch waren). Kurz gesagt, ich hatte auf dem Dienstleistungssektor gearbeitet. Auf Menschen wie mich hätte man verzichten können. Meine Nutzlosigkeit war jedoch nicht so kraß wie die von Babette und Léa; ich war ein bescheidener Schmarotzer, war nie in meinem Job auf gegangen und hatte nie das Bedürfnis empfunden, so zu tun, als sei dies der Fall.
        Nach Einbruch der Dunkelheit ging ich wieder in die Lobby, wo ich Lionel begegnete; er hatte fast am ganzen Körper einen Sonnenbrand und war begeistert von dem Tag, den er verbracht hatte. Er war viel geschwommen; er hätte nie gewagt, von solch einem Ort zu träumen. » Ich habe ziemlich lange gespart, um mir die Reise leisten zu können«, sagte er, »aber ich bereue es nicht.« Er setzte sich an den Rand eines Sessels, dachte an seinen Alltag zurück. Er arbeitete bei Gaz de France im südöstlichen Sektor der Pariser Vorstädte; er wohnte in Juvisy. Er hatte oft mit sehr armen Leuten zu tun, einfachen alten Leuten, deren Geräte nicht mehr den Vorschriften entsprachen. Er war gezwungen, ihnen das Gas abzudrehen, wenn sie nicht genügend Geld hatten, um die erforderlichen Erneuerungsarbeiten zu bezahlen. »Manche Leute leben in Verhältnissen... «, sagte er, »die kann man sich gar nicht vorstellen.«
        »Man erlebt manchmal seltsame Dinge...«, fuhr er fort und nickte dabei. Er selbst könne sich nicht beklagen. Sein Viertel sei zwar nicht besonders schön, sei sogar richtig gefährlich. »Es gibt Ecken, die man besser meidet«, sagte er weiter. Aber insgesamt könne er sich nicht beklagen. »Im übrigen sind wir im Urlaub«, sagte er abschließend, ehe er sich zum Speisesaal aufmachte. Ich griff mir ein paar Informationsblätter und ging in mein Zimmer, um sie zu lesen. Ich hatte immer noch keine Lust, mit den anderen zu Abend zu essen. In der Beziehung zu anderen wird man sich über sich selbst klar; genau das macht die Beziehung zu anderen unerträglich.
        Von Léa hatte ich erfahren, daß Koh Samui nicht nur ein tropisches Paradies war, sondern auch eine Insel, die eher hip war. In jeder Vollmondnacht fand auf der kleinen Nachbarinsel Koh Lanta ein gigantischer rave statt, die Leute kamen aus Australien oder Deutschland, um daran teilzunehmen. »Fast wie in Goa ...«, sagte ich. »Viel besser als in Goa«, erklärte sie bestimmt. Goa sei völlig out; um an einem vernünftigen Rave teilzunehmen, müsse man jetzt nach Koh Samui oder nach Lombok fahren.
        Soviel erwartete ich gar nicht. Alles, was ich mir im Augenblick wünschte, war eine anständige body massage, und anschließend wollte ich mir einen blasen lassen und richtig vögeln. Anscheinend keine komplizierte Sache; doch als ich die Broschüren durchblätterte, stellte ich mit zunehmender Enttäuschung fest, daß das offensichtlich keine Spezialität dieser Gegend war. Es gab da alles mögliche wie zum Beispiel Akupunktur, Massagen mit aromatischen ätherischen Ölen, vegetarische Restaurants oder Tai-Chi-Chuan; aber weder body massages noch go-go-bars. Alles schien außerdem von einer betrüblich

Weitere Kostenlose Bücher