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Titel: Plattform Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Segelyacht erkennen, vielleicht verbrachten manche Milliardäre ihre Zeit damit, die Weltmeere zu durchkreuzen; das war ein monotones und zugleich romantisches Leben.
        Valérie näherte sich, sie ging an der Wassergrenze entlang und vergnügte sich damit, manchmal zur Seite zu laufen, um einer stärkeren Welle auszuweichen. Ich richtete mich schnell auf den Ellbogen auf und stellte mit einem Stich im Herzen fest, daß sie einen wunderschönen Körper hatte, eine sehr attraktive Figur in ihrem eher biederen zweiteiligen Badeanzug; ihre Brüste füllten das Oberteil des Badeanzugs auf vollkommene Weise aus. Ich winkte ihr leicht zu, da ich glaubte, sie habe mich nicht
    bemerkt, aber sie war bereits in meine Richtung abgebogen; es ist nicht leicht, Frauen bei einem Fehler zu ertappen.
        »Sie lesen Elle?« fragte sie halb erstaunt, halb spöttisch.
        »Äh...«, sagte ich.
        »Sie haben doch nichts dagegen?« sagte sie und ließ sich neben mir nieder. Ungezwungen, mit der Gewandtheit der Kennerin, blätterte sie die Zeitschrift durch: ein Blick auf die Modeseiten, ein weiterer auf die ersten Seiten. Die Elle-Leserin interessiert sich für Bücher, die Elle Leserin möchte ausgehen...
        »Sind Sie gestern abend wieder in einen Massagesalon gegangen?« fragte sie mich mit einem Seitenblick.
        »Äh... nein. Ich habe keinen gefunden.«
        Sie nickte kurz und vertiefte sich wieder in die Lektüre des Hauptartikels: »Sind Sie für eine lange Liebe vorprogrammiert?«
        » Na, wie sieht es damit aus?« fragte ich nach einer Weile des Schweigens.
        »Ich habe keinen Liebhaber«, erwiderte sie trocken. Diese Frau brachte mich völlig aus dem Konzept.
        » Ich verstehe diese Zeitschrift nicht«, fuhr sie fort, ohne den Kopf zu heben. »Da geht es nur um die Mode und die neusten Trends: Was man sich ansehen, was man lesen, auf welchem Gebiet man sich engagieren soll, die trendigen Gesprächsthemen... Die Leserinnen können unmöglich die gleichen Kleider wie die Mannequins tragen, und warum sollten sie sich für die neuen Trends interessieren? Im allgemeinen sind es doch eher ältere Frauen.«
        »Glauben Sie wirklich?«
        » Ich bin sicher. Meine Mutter liest Elle. «
        »Vielleicht schreiben die Journalisten nur über das, was sie selbst interessiert, und nicht über das, was ihre Leserinnen interessiert.«
        »Vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen wäre das kaum haltbar ; normalerweise tut man alles, um dem Geschmack der Kunden entgegenzukommen.«
        »Vielleicht kommt das ja dem Geschmack der Kunden entgegen.«
        Sie dachte nach und entgegnete zögernd : »Ja, vielleicht...»
        »Glauben Sie«, fuhr ich fort, »daß Sie sich nicht mehr für die neuen Trends interessieren, wenn Sie sechzig sind?«
        »Ich hoffe nicht...«, sagte sie aufrichtig.
        Ich zündete mir eine Zigarette an. »Wenn ich hier bleibe, muß ich mich eincremen...«, sagte ich betrübt.
        »Kommen Sie, wir gehen schwimmen! Sie können sich hinterher eincremen. «
        Im Nu war sie auf den Beinen und zog mich ins Wasser.
        Sie schwamm gut. Ich persönlich kann nicht sagen, daß ich schwimme; ich kann den toten Mann machen, aber ich werde schnell müde. »Sie werden schnell müde«, sagte sie. »Das kommt davon, daß Sie zuviel rauchen. Sie müssen Sport treiben. Ich werde mich um Sie kümmern!...« Sie drehte mir die Armmuskeln. O nein, dachte ich, nur das nicht. Sie beruhigte sich schließlich und legte sich wieder in die Sonne, um sich bräunen zu lassen, nachdem sie sich den Kopf energisch abgetrocknet hatte. Sie war hübsch, mir ihrem langen schwarzen zerzausten Haar. Sie nahm das Oberteil ihres Badeanzugs nicht ab, das war schade; ich hätte es gern gemocht, daß sie das Oberteil ablegte. Ich hätte jetzt, in diesem Augenblick, gern ihre Brüste gesehen.
        Sie hatte meinen Blick auf ihren Busen gespürt und lächelte kurz: »Michel...«, sagte sie nach einer kurzen Stille. Ich zuckte bei der Nennung meines Vornamens zusammen. »Warum fühlen Sie sich eigentlich so alt?« fragte sie, wobei sie mir fest in die Augen sah.
        Das war eine gute Frage; mir verschlug es fast den Atem. »Sie brauchen mir nicht gleich zu antworten ...«, sagte sie freundlich. »Ich habe ein Buch für Sie«, fuhr sie fort und holte es aus ihrer Tasche. Ich erkannte erstaunt den gelben Umschlag der Masque-Reihe,

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