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amerikanischen oder gar kalifornischen Atmosphäre geprägt zu sein, die auf »healthy life« und »meditation activities« basierte. Ich überflog einen Leserbrief in What's on Samui, den ein gewisser Guy Hopkins geschrieben hatte; er definierte sich selbst als »health addict« und kam seit gut zwanzig Jahren regelmäßig auf die Insel zurück. »The aura that backpackers spread on the island is unlikely to be erased quickly by upmarket tourists», schrieb er abschließend; es war frustrierend. Ich konnte nicht einmal aufs Geratewohl irgendwohin gehen, da das Hotel fern von allem lag; ehrlich gesagt, lag hier alles fern von allem, da es nirgendwo etwas Interessantes gab. Auf der Karte der Insel war keinerlei Zentrum zu entdecken, nur ein paar Bungalow-Anlagen wie die unsere an ruhigen Stranden. Da erinnerte ich mich mit Schrecken, daß die Insel mit sehr schmeichelhaften Worten im Guide du Routard beschrieben war. Hier habe man eine gewisse Negativentwicklung zu verhindern gewußt. Ich saß in der Falle. Ich empfand dennoch eine leichte, eher theoretische Befriedigung bei dem Gedanken, daß ich mich in der Lage fühlte zu vögeln. Ich nahm mir resigniert wieder Die Firma vor, übersprang zweihundert Seiten und ging dann fünfzig Seiten zurück; durch Zufall stieß ich auf eine Sexszene. Die Handlung war inzwischen etwas vorangekommen: Tom Cruise befand sich jetzt auf den Cayman-Inseln und versuchte irgend etwas auf die Beine zu stellen, um eine Steuerflucht zu organisieren - oder diese zu ver eiteln, das war nicht klar. Wie dem auch sei, er lernte eine wunderschöne Mulattin kennen, und das Mädchen schreckte offensichtlich vor nichts zurück. »Mitch hörte ein kurzes Geräusch und sah, wie Eilene der Rock auf die Knöchel fiel, und entdeckte einen String, der von zwei feinen Schnüren gehalten wurde. « Ich machte den Reißverschluß meines Hosenschlitzes auf. Anschließend kam eine seltsame, psychologisch wenig nachvollziehbare Passage: »Lauf weg, flüsterte ihm eine innere Stimme zu. Wirf die Bierflasche ins Meer. Wirf den Rock in den Sand. Und lauf, als wäre der Teufel hinter dir her. Lauf in das Appartement! Lauf!« Zum Glück wollte Eilene davon nichts wissen: »In Zeitlupe ließ sie ihre Hand auf den Rücken gleiten. Sie hakte das Bikini- Oberteil auf, und es fiel herunter, ganz langsam. Ihre Brüste wirkten in ihrer Nacktheit noch voller. Sie reichte es ihm. > Heben Sie das für mich auf<, sagte sie. Es war weich und weiß und federleicht.« Ich holte mir ernsthaft einen runter und versuchte mir Mulattinnen nachts in winzigen Badeanzügen vorzustellen. Mit einem Seufzer der Befriedigung ejakulierte ich zwischen zwei Buchseiten. Sie würden wohl zusammenkleben; na ja, es war eh kein Buch, das man zweimal las.
Am Morgen war der Strand menschenleer. Ich badete direkt nach dem Frühstück; die Luft war lau. Die Sonne würde bald am Himmel aufsteigen und bei den Menschen weißer Rasse die Gefahr des Hautkrebses erhöhen. Ich hatte vor, nur so lange zu bleiben, wie die Zimmermädchen vermutlich brauchen würden, um mein Zimmer aufzuräumen, anschließend wollte ich unter die Bettlaken schlüpfen und die Klimaanlage auf volle Touren stellen; ich sah diesem Tag zur freien Verfügung mit größter Ruhe entgegen.
Tom Cruise dagegen machte sich ununterbrochen Sorgen über diese Geschichte mit der Mulattin; er nahm sich sogar vor, den Zwischenfall seiner Frau zu erzählen (die, und darin lag das eigentliche Problem, sich nicht damit begnügte, geliebt zu werden; sie wollte die aufreizendste, begehrenswerteste aller Frauen bleiben). Der Idiot verhielt sich so, als stünde die Zukunft seiner Ehe auf dem Spiel. »Wenn sie einen kühlen Kopf bewahrte und großherzig reagierte, würde er ihr sagen, daß er es bereue, zutiefst bereue, und ihr versprechen, daß er nie weder damit anfangen werde. Wenn sie dagegen in Tränen ausbrach, würde er um Vergebung flehen - notfalls auf den Knien - und auf die Bibel schwören, daß er nie wieder damit anfangen werde.« Das lief ganz offensichtlich mehr oder weniger auf das gleiche hinaus; aber die ständige Reue des Helden wirkte sich schließlich, auch wenn sie völlig uninteressant war, auf die Geschichte aus - die immerhin sehr ernst war: Wir hatten es mit üblen Mafiabossen, dem FBI und vielleicht sogar den Russen zu tun. Man war zunächst genervt und am Ende richtig verärgert.
Ich versuchte es mit meinem anderen amerikanischen Bestseller, Total
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