Plattform
seinem Hodensack festhakte; ein paar Blutstropfen perlten über die Haut. Dann begann sie seine Geschlechtsteile auszupeitschen, wenn auch etwas sanfter. Es war ziemlich gewagt : Wenn einer der Lederriemen an den Angelhaken hängenblieb, drohte die Haut seines Sacks zerrissen zu werden. Valérie wandte den Kopf ab und schmiegte sich an mich. »Laß uns gehen«, sagte sie in flehendem Ton, »laß uns gehen, ich sag dir nachher warum.« Wir kehrten in die Bar zurück; die anderen waren so von dem Anblick gefesselt, daß sie überhaupt nicht auf uns achteten. »Die Frau, die den Typen auspeitscht«, sagte sie halblaut zu mir, »die kenne ich. Ich habe sie erst einmal gesehen, aber ich bin sicher, daß sie es ist... Audrey, die Frau von Jean-Yves. «
Gleich darauf gingen wir. Im Taxi war Valérie völlig niedergeschlagen und rührte sich nicht. Sie schwieg auch noch im Aufzug, bis wir in der Wohnung waren. Erst als sich die Tür hinter uns schloß, wandte sie sich mir zu: »Michel... findest du mich nicht zu prüde?«
»Nein. Ich habe auch einen Horror vor so etwas. «
»Ich verstehe ja, daß es Peiniger gibt: Das widert mich an, aber ich weiß, daß es Leute gibt, die Lust dabei empfinden, an
dere Menschen zu quälen; was ich nicht verstehe, sind die Opfer. Wie kann nur ein Mensch dazu kommen, den Schmerz der Lust vorzuziehen. Ich weiß nicht, man müßte sie umerziehen, sie lieben, ihnen die Lust beibringen.«
Ich zuckte die Achseln, um anzudeuten, daß das Thema meine Zuständigkeit überschritt - was jetzt in fast allen Lebensumständen bei mir der Fall war. Was immer die Leute tun oder was sie zu ertragen bereit sind ... alldem läßt sich nichts abgewinnen, daraus kann man weder eine allgerneine Schlußfolgerung ziehen noch irgendeinen Sinn ableiten. Ich zog mich stumm aus. Valérie setzte sich neben mich aufs Bett. Ich spürte, daß sie noch angespannt war und weiter nachgrübelte.
» Eine Sache macht mir dabei angst«, fuhr sie fort, »und zwar, daß es überhaupt keinen körperlichen Kontakt mehr gibt. Die Leute tragen alle Handschuhe und benutzen irgendwelche Geräte. Nie kommt die Haut des einen mit der des anderen in Berührung, sie küssen sich nicht, sie streifen sich nicht, sie streicheln sich nicht. Für mich ist es das genaue Gegenteil von Sexualität.«
Sie hatte recht, aber ich nehme an, daß die SM-Adepten in ihren Praktiken die Krönung, die höchste Form der Sexualität sahen. Jeder blieb in seiner Haut und konnte sich ganz dem Gefühl überlassen, einmalig zu sein; zumindest war das eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen. Fest steht auf jeden Fall, daß solche Clubs in zunehmendem Maße in Mode gerieten. Ich konnte mir gut vorstellen, daß junge Frauen wie zum Beispiel Marjorie und Géraldine zum Beispiel sie besuchten, während ich mir nur schlecht vorstellen konnte, daß sie die Fähigkeit der Selbstaufgabe besaßen, die für eine Penetration oder überhaupt für jede Art des Geschlechtsverkehrs notwendig ist.
»Die Sache ist einfacher, als man denkt«, sagte ich schließlich. »Es gibt die Sexualität der Menschen, die sich lieben, und die Sexualität der Menschen, die sich nicht lieben. Wenn es
keine Möglichkeit mehr gibt, sich mit dem anderen zu identifizieren, dann bleibt als einzige Modalität das Leiden und die Grausamkeit übrig.«
Valérie schmiegte sich an mich. »Wir leben in einer seltsamen Welt«, sagte sie. In gewisser Weise war sie naiv geblieben, ihr wahnsinnig langer Arbeitstag, der ihr kaum Zeit ließ, Einkäufe zu machen und sich auszuruhen, ehe sie wieder losfuhr, hatte sie vor der menschlichen Wirklichkeit geschützt. Sie fugte hinzu : » Ich mag die Welt nicht, in der wir leben. «
6
Wie unsere Untersuchung zeigt, zeichnen sich
beim Verbraucher drei große Erwartungen ab:
der Wunsch nach Sicherheit, der Wunsch nach
einem emotionalen Bezug und der Wunsch
nach formschöner Gestaltgebung.
Bernard Guilbaud
Am 30. Juni wurden die Ergebnisse der Buchungen im Verbund der Reisebüros bekannt. Sie waren ausgezeichnet. Das Produkt »Eldorador Entdeckung« war ein Erfolg, es übertraf auf Anhieb die Ergebnisse des »Normalangebots« der Eldorador Clubs, die weiterhin zurückgingen. Valérie beschloß, eine Woche Urlaub zu nehmen; wir fuhren zu ihren Eltern nach SaintQuay-Portrieux. Ich fühlte mich ein wenig alt für die Rolle des Verlobten, den man der Familie vorstellt; ich war immerhin dreizehn Jahre
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