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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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München studiert und promoviert über ›Auswirkungen der Ernährungsgewohnheiten von Rehwild auf Neupflanzungen‹. Das war zeitlebens ihr Thema. Sie hat ihr Leben wirklich im Wald verbracht, sie ist ein Waldkind. Genau, ein Waldkind.« Er stockte. »Oder eher eine Waldelfe. Sie ist Jägerin. Sie ist Falknerin. Sie hat ein exzellentes Fachwissen.« Er schwieg kurz und fuhr fort: »Jetzt müsste ich wohl sagen: Sie war. Sie ist gewesen.«
    Das beantwortete aber immer noch nicht Irmis Frage. Oder vielleicht doch. Regina von Braun hatte profunde Kenntnisse gehabt und vermutlich gut argumentieren können. Eine kluge Frau, die auch noch schön war, rief bei den meisten Männern Reaktionen hervor, meist negative. Solche Frauen galten als frech, vorlaut, starrsinnig – und das waren sicher noch die netteren Attribute.
    »Sie hatten einen Exfreund erwähnt. Wie heißt der? Dem ist ihre voranpreschende Art auch aufgestoßen?«
    »Marc von Brennerstein.«
    »Ja, und weiter?« Irmi war zunehmend genervt davon, dass man Bartholomä jede Botschaft aus der Nase ziehen musste.
    »Von Brennerstein ist«, Bartholomä betonte das Wort »von« besonders deutlich, »Waldbesitzer im Lenggrieser Raum. Er hat Forstwirtschaft studiert und leitet seinen eigenen Betrieb. Das ist nicht selbstverständlich, in diesen Kreisen stellt man gern einen Förster ein und macht sich selber wichtig. Er hat auch eine Beraterfunktion bei den Staatsforsten.«
    »Sie halten wenig vom Landadel?«
    »Ich halte wenig von Idioten. Egal, aus welcher Gesellschaftsschicht.«
    »Und dieser von Brennerstein war einer?«
    »Er war und ist ein Schnösel. Ich weiß nicht, was Regina an ihm gefunden hat. Sie hat ihn beim Jagen kennengelernt. Es gibt ja Menschen, die verbringen fast das ganze Jahr auf der Jagd. Europaweit, ja, sogar weltweit. Tiere töten in Südafrika oder Indien. All die Vons laden sich gegenseitig ein. Das ist eine Art großer Heiratsmarkt. Blaues Blut zu blauem Blut, Sie verstehen?«
    Irmi stutzte ein wenig. »Ganz ehrlich ist das sehr weit weg von meiner Lebensrealität. Und dann kommt mir das in der heutigen Zeit auch ziemlich anachronistisch vor.«
    »Da haben wir keinen wirklichen Einblick, das sind andere Leute. Regina passte auch gar nicht in diese Szene. Sie war viel zu bodenständig und viel zu leidenschaftlich in ihrer Tierliebe. Sie war Hegerin, das stand für sie über allem anderen.«
    »Regina und von Brennerstein waren also nicht gleicher Meinung?«
    »Nein, ganz und gar nicht.«
    »Inwiefern?« Allmählich wurde Irmi ungeduldig. Das war ja schlimmer als mit dem Kollegen Hase!
    »Haben Sie Wald?«, fragte Bartholomä mit leiser Provokation in der Stimme, eine Provokation, die Irmi nicht entging.
    »Ja«, sagte sie. »Zehn Hektar. Wir haben eine Milchwirtschaft und etwas Wald. Wir sind klassische Werdenfelser Bauern. Sie können also voraussetzen, dass mir Worte wie Abschusszahlen etwas sagen.«
    »Das Thema, an dem Regina sich abgearbeitet hat, lautet: Wald vor Wild.« Er seufzte. »Frau Mangold, Sie wollen sich doch bestimmt Reginas Büro anschauen, oder?«
    »Natürlich!«
    »Dann würde ich ihnen gerne eine DVD vorspielen. Regina war häufig zu Podiumsdiskussionen eingeladen. Was ich meine, war eine Sendung im Nachmittagsfernsehen, und es ging dabei um Wild und Wald. Die Gäste im Studio waren Regina und Marc.«

2
    April 1936
    Nun kann ich endlich wieder einmal einen Eintrag machen in mein liebes Tagebuch. Ich bin nun schon so viele Jahre lang aui aufs Joch und wieder oui gegen Gerstruben gegangen. Was war das aber dieses Mal für ein Schneegestöber! Wir waren im Abstieg, auch der Eissee lag hinter uns. Aber am Älpelesattel, da waren die Gawinda so riesig. Der Wind riss an uns, und ich konnte der Johanna gar nimmer folgen. Ich war so müde, aber die Johanna ging, als wär sie eine Riesin. Sie durchsprang die Gawinda, und mir wurde immer bänger, und ich vermochte nicht mehr Schritt zu halten. Dann aber riss der Wind mir den Hut vom Kopfe, den Hut, den einzigen Hut! Ich wollte ihn noch erhaschen, ich lief und strauchelte. Dann bin ich gestürzt, weit hinunter. Der Schnearfar war verloren, da war ein Kanten Brot drin und ein Stück Speck. Man stelle sich nur vor: Speck! Die Mutter hatte ihn mir zugesteckt, ohne das Wissen vom Herrn Vater, und ich Schussel verlier ihn.
    Der Herr Vater hat schon recht. Ich bin zu nichts nutze. Ich wollte mich wieder außi wühlen durch den Schnee, aber ich war so müde. Aber ich musste doch weiter.

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