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Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition)

Titel: Platzhirsch: Ein Alpen-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Und dann fand ich auch den Schnearfar wieder und rief nach Jakob und Johanna. Ich weinte, und ich war so müde, und ich stolperte weiter, und dann wurde es dunkel. Mir war auf einmal so warm. Dann kalt. Dann wieder warm, und ich lief durch eine Blumenwiese. Vögel haben gesungen, so schön.
    Später drangen Stimmen an mein Ohr, jemand schüttelte mich, und Hände zerrten und packten mich. Sie störten die Vögel, die so schön sangen. Und ich hörte den Jakob, aber so richtig erinnere ich mich nicht. Erst an Gerstruben, an die Bauersfamilie – Gott danke ihnen –, erinnere ich mich wieder. Der Jakob hatte an die erste Türe geklopft, die er sah, und so lange gefleht, dass man mich suchen müsse, bis ein paar Manderleut losgezogen waren.
    Jetzt lag ich in ein Schaffell gepackt, und eine sehr liebe Frau flößte mir Suppe ein. Eine dicke Suppe mit Kartoffeln drin, keine Schnallsuppa. Und die Johanna war da und der Jakob, und der sagte immer wieder: »Jetzt hocksch zerscht auf dei Fiedla, und dann stehsch auf.« Und ganz langsam wurde mir wieder bewusst, dass wir doch auf Kempten außi müssen und dass bestimmt viel Zeit ins Land gegangen war. Der Bauer hatte angespannt, es war zwar eine rechte Schindmähre, aber er fuhr uns hinaus bis Oberstdorf, und ein anderer nahm uns bis Fischen mit. Wie kommod das war!
    In Kempten wartete der Großknecht Oswald mit einem Gespann, und die Johanna meinte auch, dass wir noch nie so kommod gereist wären. Spornstreichs waren wir hinter Grönenbach. Ach, könnte ich mich doch bei den Leuten in Gerstruben bedanken, ach, könnte ich ihnen etwas schenken. Aber die Gulden, die der Herbst uns bringen wird, die muss ich heimbringen. Der Mutter mag’s helfen, dass der Bader einmal kommt, sie leidet solche Schmerzen. Aber ich hab für die lieben Leute in der Kapelle gebetet, dass sie ein Hütemadl gerettet haben. Ich hätt ja auch leicht tot sein können. Die Herrin hat sich wirklich rührend meiner angenommen. Ich musste nur am halben Tage arbeiten und auch nur in der Küche, wo es warm ist. Mir ist immer wieder so drimslig, sehr drimslig. Und da ist ein Frost, der über mein Gnagg kriecht. Ich wär fast erfroren, das steckt man nicht so weg, sagt der Jakob. Und dass ich doch jung und gsund sei. Die Herrin hat sogar ein Pulver vom Herrn Doktor kommen lassen. Wie viele Reichspfennige sie da wohl hat ausgeben müssen? Ob sie mir die am Ende vom Lohn abzieht? Sie sieht mich manches Mal so seltsam an, ich traue mich gar nicht zurückzuschauen, seit sie so oft in diesem fahrbaren Holzstuhl sitzt. Sie sitzt dann tiefer als ich, und das geht doch nicht, dass ich auf die Herrin hinabsehe.
    Dabei meinte die Johanna, ich sei selber schuld gewesen, wenn ich so blöd ausrutsch. Sie hätt mich sicher liegen gelassen. Aber der Jakob, der Gute, hat zu mir gehalten. Er ist das beste Gschwisterikind, das ich habe. Dabei ist der Jakob ein rechtes Grischpala, aber er hat doch mein nichtsnutziges Leben errettet.
    Veit Bartholomä hatte sich ohne weitere Worte umgedreht. Irmi folgte ihm die schwere geschwungene Treppe hinauf. Im Obergeschoss öffnete er eine der Türen, die von der Halle abgingen. Dunkle Holzregale nahmen eine ganze Wand des Raums ein, in dessen Mitte ein Ehrfurcht gebietender alter Schreibtisch stand. Doch der Stuhl davor war ein Wipphocker in Orange. Die Ledercouch auf Alufüßen war ebenfalls orange, ebenso wie die Vorhänge. In der Ecke des Zimmers befand sich ein riesiger Flachbildfernseher mit einem glänzenden Rahmen in Aluoptik, und auf Reginas Computer klebte ein lila Plastikelch. Eine gelungene Symbiose aus Alt und Neu, fand Irmi.
    Gespannt setzte sie sich auf die Couch, während Bartholomä eine DVD einlegte und eine bestimmte Stelle heraussuchte, bevor er den Film ablaufen ließ.
    »Sie sprechen doch nur noch von Schädlingen«, sagte Regina von Braun gerade. »Das Wort Rehe kommt gar nicht über ihre Lippen. Sie sprechen von Schädlingsbekämpfung, nicht von Abschuss!« Ihre Stimme war messerscharf.
    Die Kamera fuhr zu ihrem Gegenüber, Marc von Brennerstein. Dieser Marc war dunkelhaarig mit grauen Schläfen, er hatte ein bisschen was von Clooney und war Irmi auf den ersten Blick gar nicht unsympathisch, aber er war zu schön, zu glatt, die Augen kalt, der Mund zu klein.
    »Liebe Frau von Braun«, sagte er mit gönnerhafter Stimme. Allein das war lächerlich. Der Mann vögelte diese Frau und redete mit ihr, als habe er sie heute zum ersten Mal gesehen. Man war versucht, ihn zu

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